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nicht blos in Philosophie und Pädagogik, anch in Religion, Geschichte, Geographie und Sprachen, die nicht sein Spezialfach siud, nachweisen. Bei manchem, dessen Abiturientenzeugniß das Prädikat „Gut" oder selbst „Vorzüglich" in der Religion schmückt, wird dann im Staatsexamen die allgemeine Bildung in der Religion für ungenügend erfunden, er erhält eine niedrigere Zeugnißnummer und muß vor seiner Anstellung als Lehrer sich einer Nachprüfung unterziehen. Die Studirenden der Jurisprudenz sind somit die einzigen, denen der Nachweis allgemeiner Bildung erlassen ist. Ob der gegenwärtige Zustand, wonach für sie ein Semester oder höchstens ein Jahr mäßiger Anstrengung zur Vorbereitung für das erste Examen ausreicht, ihnen selbst vortheilhaft ist, soll hier nicht erörtert werden. Sicherlich haben die Erfahrungen der betreffenden Prüfungskommissionen gelehrt, wie wünscheuswerth für viele Theologen auch eine äußere Nöthigung ist, ihre allgemeine Bildung nicht zu vernachlässigen, und wie mangelhaft bei vielen die Kenntnisse in jenen Gegenständen sind, die sie doch nicht entbehren können, nm ihr Amt voll und ganz auszufüllen. Das läßt sich auch durch Scherze uicht widerlegen, wie sie Herr Dr. Kögel vorbrachte: daß ja nicht die theologischen Fakultätsangehörigen allein das Recht hätten, verwirrt zu antworten, und daß man auch eine Sammlung schiefer und verwirrter Fragen der Examinatoren anlegen könne. Die Resultate der Prüfungen zeigen einerseits, daß trotz aller Reglements und aller Beaufsichtigung durch die Behörden die Leistungen unserer Gymnasien in Geschichte und Literaturgeschichte doch nicht die Gleichmäßigkeit und Gründlichkeit in der Durchbildung haben, die wünschenswerth wäre; sie zeigen andrerseits, daß der jugendliche Geist eine wahrhaft bewundernswerthe Fähigkeit hat, Gelerntes zu vergessen. Je mehr die sich steigernden Anforderungen in den Spezialfächeru die Thätigkeit der Studirendeu in Anspruch nehmen, umsomehr hat der Staat die Verpflichtung, darauf zu halten, daß die allgemeine Bildung nicht vernachlässigt werde. Nun kann man sagen, daß ein großer Theil der Theologie- studirenden später Hauslehrerstellen annimmt oder anderweitigen Unterricht ertheilt und dadurch eine Nöthigung erhält, jene Lücken auszufüllen. Aber es ist doch immer sehr mißlich, wenn jemand erst als Lehrer anfängt, das zu lernen, was er als Lehrer braucht, und bei dem jetzigen Mangel an Theologen, in Folge dessen jeder nach Absolvirung der vorgeschriebenen Prüfungen sofort in das geistliche Amt eintritt, wird die Zahl der Theologen, welche zwischen der Universitätszeit und dem Eintritt in das Amt als Lehrer thätig sind, wesentlich geringer, als sie früher war. Auch die Schulaufsicht, welche die Geistlichen zum Theil auszuüben haben, rechtfertigt die Forderung des Staates, daß sie ihre pädagogische nnd allgemein wissenschaftliche Bildung nachweisen. Aus diesen Gründen können wir der in der Generalsynode vielfach lautgewordenen