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Nachtigals Reise nach Bornu.
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war die Cigarre angezündet, und das kräftige Getränk sollte das festliche Be­hagen erhöhen, als schwere Regentropfen, eine auch im Winter hier sehr seltene Erscheinung, welche die Salzerde der Hänserwände leicht schmilzt, erst einzeln zu Boden fielen, bald aber ihr Tempo beschleunigten. Schließlich bröckelten die erdigen Bestandtheile der Decke ab, und der eindringende Regen nöthigte die Insassen, ihre Aufmerksamkeit von dem wärmenden Getränke ab und der Verpackung von Büchern und anderen gegen Nässe empfindlichen Gegenständen zuzuwenden. Ja selbst der Versuch, das unterbrochene Fest in den Räumen des Erdgeschosses fortzusetzen, wurde vereitelt, denn bald verdünnte ein schwerer Tropfen das Getränk, bald verdickte es ein Lehmbrocken in unliebsamer Weise, und erst gegen drei Uhr Morgens fand mit dem Regen die unbehagliche Situa­tion ein Ende.

Endlich, nachdem sich die Aussicht auf abgehende Karawanen schon mehr­mals als trügerisch erwiesen hatte, traf Anfang des Jahres 1870 die Nachricht ein, daß RizS Pascha, der Gouverneur von Tripolitanien, die Absicht habe, eine Gesandtschaft an den König von Bornu zu schicken, zu dem Zwecke, diesem Negerfürsten Geschenke zu überreichen und durch seine Vermittelung eine Samm­lung wilder Thiere zurückzubringen. Der Gouverneur hielt es für angemessen, bei dem Großherrn in Stambul, der ein lebhaftes Jnteresfe für Löwen, Tiger und ähnliche Bestien hegte, durch eine freiwillige Sendung von dergleichen seine Person in freundliche Erinnerung zu bringen. Dies gab zugleich Gele­genheit, eine Anzahl auch in Stambul immer begehrter Eunuchen mitkommen zu lassen und auf diese Weise dem Sklavenausfuhrverbote ein Schnippchen zu schlagen. Wenn Nachtigal anfangs nicht allzugroße Lust verspürte, sich dem Abgesandten des Gouverneurs anzuschließen, der, wie zu erwarten stand, mit orientalischer Pracht auftretend, die bescheidene deutsche Karawane allzusehr in den Schatten stellen würde, so war doch auf die erwünschtere Begleitung von kaufmännischen Karawanen zur Zeit nicht zu rechnen, und so mußte er schließ­lich, nach monatelangen Unterhandlungen theils mit den trip«Manischen, theils sogar mit den stambuler Behörden, zufrieden sein, daß es ihm gelang, den ursprünglichen Befehl des Al! Riza, den Deutschen von der Betheiligung am Zuge auszuschließen, rückgängig zu machen.

Der Führer der tripolitanischen Gesandtschaft, Mohammed Mscha, ein kräftiger, hochgewachsener, lebhafter Mann von 55 bis 60 Jahren, aus dessen Augen neben einer gewissen Gutmüthigkeit vor allem List und Klugheit leuch­teten, traf gegen Ende Februar in Mursuk ein und hieß unsern wackern Lands­mann als Reisegefährten willkommen. Welche Stellung er an feiner Seite unterwegs und in Bornu einnehmen würde, mußte derselbe schon hier an dem feierlichen Empfange und dem prunkvollen Einzüge in der Stadt erkennen.