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Eduard Mörike.
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romantischen Natur in dem sinnigen Knaben, dem werdenden Jüngling die süße Gewohnheit des Träumens, Brütens und sinnig spielender Beschäftigung, die, auch fernerhin stets gepflegt, in Tübingen im Verkehre mit wenigen Auser­wählten, zumal dem liebenswürdigen, anschmiegsamen Bauer, zur Schöpfung der phantastisch-poetischen Märchenwelt von Orplid führte. Künstler seiner innersten Natur nach, hatte es Monte geschehen lassen, daß er Theolog wurde, und seine Freunde wissen wenigstens nicht zu sagen, wozu er besser getaugt Hütte. Nach eiuem an Moriz v. Schwind gerichteten Gedichte, das in seine ' Sammlung leider nicht aufgenommen ist*), müssen wir annehmen, daß er eigentlich Maler werden wollte, und seine Poesie verleugnet es nicht, daß sie ihm zum Theil Ersatz dafür werden mußte. Schon in der Schule war er ein Träumer, aber nie hat die Schnle schwer auf ihn gedrückt. Er eignete sich die gediegene klassische Bildung der würtembergischen Stiftler und so auch, was er zu seinem Berufe brauchte, ohne Mühe, gleichsam nebenbei an. Er wurde Vikar, dann (1834) Pfarrer und zwar in eben dem Pfarrhause zu Cleversulz­bach, von dem uns der Thurmhahn erzählt. Aber es ist Dichtung uud Wahr­heit, was der gute Hahn berichtet. Nicht Frau, Mägdleiu und Buben umgaben ihn dort, sondern seine Mutter, an der er mit inniger Liebe hing, uud die ihm dort starb, und seine Schwester Clärchen, die ihn auch fernerhin treulich dnrchs Leben begleitete. Denn Kränklichkeit, die ihn nöthigte, schon im zweiten Sommer einen Vikar anzunehmen, veranlaßte ihn nach neun Jahren sein Amt niederzulegen. Seitdem hat er keine volle Berufsthätigkeit mehr sei es gefunden oder gesucht. Denn seine spätere Thätigkeit als Professor für deutsche Literatur am Katha- rinenstift in Stuttgart (185166), so segensreich sie war, kann, da sie ihn zu einer einzigen Stunde wöchentlich verpflichtete, nicht wohl als solche gelten. Spät erst, 1851, fand er die Gattin und das Glück der Familie. Es sollte ihm leider nicht bis ans Ende ungetrübt bleiben. Seinem stillen Dasein setzte 1875 der Tod ein Ziel.

Schwerlich hätte sich sein Leben viel reicher gestaltet, auch wen» Krankheit nicht vielfach hemmend eingegriffen hätte. Er brauchteeine gewisse stete Temperatur", brauchtezeitweise eine heimlich melancholische Beschränkung, als graue Folie jener unerklärbar tiefen Herzensfreudigkeit, die aus dem innigen Gefühl unserer selbst hervorquillt". Und er brauchte diese Stille, diese Be­schränkungvon jeher",seit frühester Zeit". Schon den Knaben finden wir an irgend einem beschränkten Winkel" > einer Beschaulichkeit hingegeben,die man fromm nennen könnte, wenn eine innige Richtung der Seele auf die Natur

*) Mitgetheilt von Waldmüller-Duboc in seinem Erinnerungsblatt an Mörike in Westermcmns Monatsheften, Aprilheft 1376, S. 66 ff.