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Münchener Künstler- und Kunst-Verhältnisse.
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kunstgewerblichen Produkte der Gegenwart aus Deutschland und Oesterreich Jedermannzu Nutz und Lehr" zugänglich gemacht wurden. Mit der Er­bauung und Dekoration der Ausstellungsräume aber, sowie mit der Anordnung der Ausstellungsgegenstände waren von der Künstlerschaft nur Mitglieder der Allotria" betraut. Auch die Jury, welche über die Annahme der Kunstwerke zu entscheiden hatte, rekrutirte sich der Mehrzahl nach ans derselben Gesellschaft.

Die Ausstellung hatte einen durchschlagenden Erfolg, sowohl durch den eminenten Werth und die Reichhaltigkeit der ausgestellten Werke, als auch durch das dekorative Arrangement und die glänzende Ausstattung der Ausstellungs­räume. Besonders wirkte die letztere bestechend ans das Auge des Laien. Aber um diese brillante Totalerscheinung zu erzielen, wurde manches gute Bild nur als brauchbares Dekorationsstück an schlechtem Platze aufgehäugt, und niemand kümmerte sich um das Räsonniren und Protestiren des betreffen­den Künstlers. Viele Bilder und Skulpturen kamen neben den prunkenden kunst­gewerblichen Gegenständen nicht zu der ihnen gebührenden Geltung. Die Herren Arrangeure mußten dies denn auch bald einsehen, und so erbauten sie für sich und ihre Freunde eiuen Ehrensaal, in welchen nur Bilder zu hängen kamen, ohne jede störende Beigabe von kunstgewerblichen Erzeugnissen; anch der Vor­stand der Jury wußte seine plastischen Werke so zu placiren, daß sie jeder­mann in die Augen fallen mußten. Diese viel ans Sensation berechnete Aus­stattung, sowie die bei der Auswahl der Kunstwerke an den Tag gelegte Par­teilichkeit der Jnry rief schon damals eine tiefe Verstimmung in' der Künstler­schaft hervor und erweiterte die Kluft, welche sich zwischen den rivalisirenden Parteien durch die Wiener Ausstellnngsfrage gebildet hatte.

Als nun im letzten Jahre die Nachricht kam, daß die bairische Staats­regierung die Mittel'zur Abhaltung internationaler Kunstausstellungen, welche aller vier Jahre stattfinden sollen, bewilligt habe, war großer Jubel in der Münchener Künstlerschaft. Ein nener Hoffnungsstrahl belebte gewiß manches durch dieschlechten Zeiten" gedrückte Künstlergemüth. Jeder bestrebte sich, sein Bestes zu leisten. Schon waren die Vorarbeiten sür die Ausstellung weit vor­geschritten, da trat plötzlich, offenbar um Sitz und Stimme bei den Berathungen für die Ausstellung zu bekommen, die gesammteAllotria", welche 1873 aus dem Verband der Münchener Künstlergenossenschaft ausgetreten war, wieder in denselben ein. Bald kam es durch das herrische Auftreten einzelner Mitglieder derAllotria" in den Ausschußsitzuugen zu heftigen Erörterungen, und als eine Generalversammlung zur Wahl der Jury anberaumt wurde, da fielen Redeu gegen dieselben voll der schwersten Anschuldigungen einseitiger Kunstan- schaunng und schnöder Parteilichkeit. Ja dem Vorstande der Jury vom Jahre 1876 wurde der Vorwurf ins Gesicht geschleudert, daß durch das rücksichtslose Vorgehen seiner Cliqne verdiente Männer in den Tod getrieben worden seien. Die Entgegnungen waren schwach und in Folge dessen die Spannung auf das Ergebniß der hierauf zu vollziehenden Wahl' der Jury groß, zumal da die Allotria" mit ihrem für die Wahl gut disziplinirten Anhang vollzählig er­schienen war. Leider besteht dieser Anhang besonders aus unselbständigen Künstlern, Schülern der Akademie oder von Privatlehrern, und bei der großen Anzahl solcher Kunstjüuger kann es leicht kommen, daß die unausgegohrene An­schauung halbfertiger Künstler den Ausschlag bei der Wahl einer Jury gibt, besonders wenn eine ruhmsüchtige Streberpartei alle Hebel in Bewegung setzt, dieselbe zu rötern. Glücklicherweise war das Resultat der Wahl derart,' daß jede Richtung in der Jury vertreten war und einseitig leidenschaftliche Partei­anschauungen nicht zu befürchten waren.