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sahen, alle suchten ihre Hell bei der Knnst. Die Schulen füllten sich, und bei der oft entgegengesetzten Anschauung der Lehrer bildeten sich bald unter den Anhängern der einen und der andern Schule die heterogensten Richtungen aus. Um schon als Schüler in möglichst Hellem Lichte zu erscheinen, wurde mit allen Mitteln der Reklame die Schule und das leuchtende Haupt derselben der ganzen Welt als unübertrefflich hingestellt. Die Sucht, schnell berühmt zu werden, wurde epidemisch und zeigte sich besonders in der oft hirnlosen, absonderlichen Wahl sensationeller Motive oder in dem geistlosen Streben nach rein technischem Vir- tuosenthum. Diese Schwindelprodukte mit ihrer auffallenden, bestechenden Aeußer- lichkeit entsprachen dem materialistischen Geschmack der modernen Gesellschaft. Bald war Nachfrage nach solcher Waare — und wo Nachfrage ist, da gibts auch was zu handeln, was zu verdienen. Kunstgeschäfte und -Händler schössen wie Pilze ans dem Boden, und die Werke künstlich gezogener Koryphäen wurden bei bengalischer Beleuchtung und dem Geschmetter berauschender Reklamemusik der verblüfften Welt vor die Augen geführt. Hauskuechte, Lohndiener, Kellner, Modellsteher und arbeitsscheue Vergolder, kurz alles gerirte sich als Kunsthändler, ja es entstanden Kunsthandlungen von ziemlicher Bedeutung, welche in der Gründerzeit brillante Geschäfte machten. Das Kunstwerk war zum Spekulationswerth avancirt, an dem sich nach den Kalkulationen der Liebhaber und laut Auktionsbericht so und so viele Prozente verdienen lassen. Und um den Werth unbedeutender Werke in die Hohe zu treiben, brauchte man ja nur die feile Kritik in den Dienst zu nehmen, das Publikum glaubt ja stets, was es schwarz auf weiß im Wochenblättchen liest.
Das war die goldene Zeit der Künstler und die traurige der Kunst. Unter den Künstlern machte sich ein gewisser Wohlstand geltend, und Mancher, dem nicht alle Ideale entschwundeu waren, rüstete sich, durch dies materielle Wohlbefinden in die Lage versetzt, etwas bedeutenderes schaffen zu können, mit seiner ganzen Kraft zu dem großen Friedensturnier, welches 1873 auf der internationalen Ausstellung in Wien stattfinden sollte. Schon waren die Abgeordneten der Münchener Kunstgenossenschaft für Wien ernannt. Da plötzlich überfiel eine dunkle Ahnung die Koryphäen unserer Münchener Kunst. Es war ein Gefühl der Unsicherheit, das ihnen sagte: „Wenn wir nicht durch eine besondere Dekoration der Wände, an denen unsere Werke aufgehängt werden, das Auge des Beschauers auf uns ziehen, so schwindet der Nimbus, der uns jetzt umstrahlt." Man beantragte eine Generalversammlung der Münchener Künstlergenossenschaft und verlangte in derselben, neben den schon gewählten Abgeordneten noch einen Dekorationsausschuß für Ausschmückung der Wände aufzustellen. Die egoistische Absicht wurde sofort durchschaut, und bei der jammerwürdigen Vertretung des Antrags durch die Sprecher der Partei, Piloty, Lenbach und Konsorten, fiel