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rität entfernt. Dennoch können sie die einflußreichste Fraktion sein, können auf Charakter und Gestalt der Maßregeln in weitem Maße bestimmend wirken, können einen Ruf wieder erlangen, den sie eben nur verloren haben, nämlich den, in der moralischen Führung der Nation die Erben des Fürsten Bismarck zu sein. Dies Alles können die Nationalliberalen, wenn sie aufhören, den Fürsten Bismarck zu behindern, das Vermögen zu vergrößern, das die Nationalliberalen erben wollen und anch erben sollen, wenn sie nicht anfangen, die Erbschaft zu verschleudern, ehe sie ihnen gehört.
Es ist wahrhaftig erbärmlich zu lesen, wie die „National-Zeitung" in Berlin sich täglich anstellt, als sei die reaktionäre Sündfluth im Anzüge, welche die Partei sich vorbereiten müsse über ihre Häupter brausen zu lassen, einzig bemüht, im Boden zu haften und sich nicht von den Fluthen hinwegreißen zu lassen. Nun, wir wollen dem trefflichen Blatte sagen, daß die Partei keinen einzigen Sturm abzuschlagen haben wird. Man mag sich immer rüsten, wenn man einmal aufgeregt und ängstlich ist. Nur hüte man sich, blind einzuhauen und einen, der als guter Freund kommt, wie einen stürmenden Feind zu behandeln. Die nächsten Aufgaben der Gesetzgebung sind: die schrittweise Beseitigung der Klassensteuer, die Übertragung der Grund- und Gebändesteuer an die Gemeindeverbände, die Eröffnung indirekter Steuerquellen, um die erstere Reform zu ermöglichen — vornehmlich im Reiche —, in weiterer Ferne die Ausscheidung der Einkommensteuer aus den permanenten Steuern und ihre Verwandlung in eine außerordentliche Steuer nach Bedürfniß und mit nach dem Bedürfniß festzustellenden Quoten des Normalprozentsatzes. An die Steuerreform schließt sich die Eisenbahnreform, deren Haupttheil die Konsolidation des Staatsbahnsystems bildet; hieran der Abschluß der Verwaltungsreform auf den Grundlagen der Kreisordnung von 1872. Nach Vollendung dieser Reformen öffnet sich das weite Gebiet der Sozialgesetzgebung, wo so viel Schweres und Heilsames zu vollbringen ist. Alle diese Probleme sind nicht mit der liberalen Maxime des laisssr tairs zu lösen, aber es ist eine Gespenstermacherei, an deren Künste niemand glaubt, wenn man den Leuten einreden will, Fürst Bismarck wolle die sozialen Probleme mittelst einer Kopie der Ordnungen des absterbenden Feudalstaates lösen, wie sie bis zu Anfange des Jahrhunderts in Deutschland bestanden und in Mecklenburg allein sich fragmentarisch bis heute erhalten haben.
Wie aber, wenn es nicht gelingt, was allerdings kaum glaublich, ein rationelles Zusammenwirken der nationalen und konservativen Elemente in diesem Abgeordnetenhause zu Stande zu bringen? So wie wir die Dinge beurtheilen, können wir uns nicht beeilen, auf das Zentrum als auf das gegebene bereitstellende Hilfscorps hinzuweisen. Bedingungen vom Zentrum sich vorschreiben lassen wird der Kanzler nie. Aber selbst ein bedingungsloser Beistand gegen