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uud Drang" mit Goethe u. a. häufige Zusainmenkünfte gepflogen habe u. s. w. — diese und andere, z. Th. nicht ganz genane Lebensdaten*) veranlaßten weitere biographische Versuche. Namentlich war ein von Frau Medizinalrath Charlotte Rieger in der Didaskalia vom 28. und 29. September 1840 veröffentlichter Artikel von hoher Bedeutung, welcher unter anderm die bisher nicht entkräftete Behauptung aufstellte, daß Klinger nicht in der Rittergasse, sondern in dem ans der Allerheiligengasse gelegenen Hause „Zum Palmbaum" geboren sei. Auch wir haben keinen Grund, die Wahrheit dieser Angabe in Zweifel zu ziehen. Für uns handelt es sich aber nicht um die unzweifelhafte Feststellung des Klinger'schen Geburtshauses, sondern um die Stätte, an der er mit Goethe und andern Jugendgenossen verkehrte. Dies geschah aber, nachdem Klingers Mutter das Geburtshaus „Zum Palmbaum" mit einer bescheidneren Wohnung in der Rittergasse vertauscht hatte, unzweifelhaft in dem Hause, welches noch jetzt als das Klingerhaus in Frankfurt bezeichnet wird.
Es ist gewiß nicht ohne Interesse, in dem jetzigen Klingerhause diejenige Stätte zu ermitteln, wo die Genossen der Sturm- und Drangperiode ihre Zusammenkünfte abhielten. Als mir vor einiger Zeit ein Brief Goethes an Klinger in die Hände fiel, der eine fehr charakteristische Aeußerung über den Ort der Zusammenkünfte enthielt, hoffte ich in Frankfurt selbst Aufklärung zu erhalten. Herr Dr. Volger, Obmann des Freien deutschen Hochstiftes, nahm sich der Untersuchung des Klingerhauses an, und wir können nunmehr mit evidenter Gewißheit die klassische Stätte in Frankfurt bestimmen, die jedenfalls auch dem Hofrath Hofmann vorschwebte, wenn er uns erzählt, daß die Wände jenes Zimmers mit Schattenrissen aus jener Periode reich geschmückt gewesen seien.
Der bisher unbekannte Brief Goethes an Klinger lautet:
(Goethe an Herrn General-Lieutenant v. Klinger in Petersburg.)
Weimar, d. 8. December 1811. (Durch einen Courier) Ihre sehr liebe Sendung kommt in dem Augenblicke an, da ein Courier nach Petersburg abgeht, und ich erfreue mich höchlich, sie sogleich zu erwiedern. Hier haben Sie unser altes Frankfurt, in welchem Sie sich gewiß wieder erkennen werden, und mit Lust. Das ist der erste Theil**), und im dritten***) erlauben Sie mir, daß ich Sie auch vorführe. Das räuchrige Zimmerchen neben der Klingelthür war ein gutes Nest, wo manches brütete. Ich freue mich darauf, daß es Ihnen Spas machen wird, wie ich mich aller der Eigenthümlichkeiten erinnere, aus denen so viel ausgegangen ist. Ihr immer
*) Z. B. die Angaben über Klingers Geburt. Brgl. auch den Aufsatz von Th. Creizenach in den Preußischen Jahrbüchern 1370, S. 66—76.
Wahrheit und Dichtung, erstes Buch. 14. zg^ch von Wahrheit und Dichtung.