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Bismarck in Wien.
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kenntniß, daß man in Wien für seine Interessen im Südosten am deutschen Reiche eine Stütze suchen müsse und unter Umständen bis zu einem billigen Maße finden werde, uud die Rolle, die der deutsche Reichskanzler auf dem Berliner Kongresse alsehrlicher Makler" spielte und seitdem im Interesse des Weltfriedens trotz des Verdrusses panslavistischer Begehrlichkeit weiter gespielt hat, brachten die gegenwärtige, allem Anschein nach herzliche und aufrichtige Freund­schaft zu Stande, deren Schließung am 23, und 24. September mit der Sank­tion des Kaisers Franz Joseph in Wien gefeiert wurde.

Die Aufnahme, welche Fürst Bismarck bei diesem seinen vierten Besuche der österreichischen Kaiserstadt gefunden hat, ist eine überaus freundliche gewesen. Von dem Kaiser und seinem obersten Rathe bis herab zu den Volksmassen, die sich auf den Straßen um seinen Wagen sowie um sein Hotel drängten, wett­eiferte Alles, den berühmten Gast durch rückhaltlose Bezeugung seiner Sympathie zu ehren und zu erfreuen. Der Kanzler hat längere Unterredungen mit dem Monarchen, mit Andrassy, mit dessen Nachfolger im Auswärtigen Amte gehabt, die ohne Zweifel beide Theile befriedigt und den Aufbau eines engeren Ver­hältnisses zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn, zu dem der Grund in den letzten acht Jahren gelegt worden, wesentlich gefördert haben. Man wird sich vollkommen klar geworden sein, daß Oesterreich-Ungarn für seine Zukunft im Osten des guten Willens und im Nothfalle der Unterstützung Deutschlands bedarf, und andrerseits, daß Deutschland daran gelegen sein muß, an seinem südöstlichen Nachbar einen Freund zu besitzen.

Ob dabei förmliche Protokolle geführt und schriftliche Abmachungen getroffen worden sind, ob gar ein Defensiv - Bündniß zwischen den beiden Mächten abgeschlossen worden ist, wissen wir nicht und kann niemand wissen. Zeitungsgerede ist es und nichts Andres, wenn der Lwuckarä nachauthen­tischer Mittheilung" berichtet, Andrassy habe bei der Verhandlung mit dem Fürsten Bismarck erklärt, daß er von seinem Kaiser autorisirt sei, dessen Bereit­willigkeit zum Abschluß einer Defensiv - Allianz mit Deutschland auszudrücken, und unser Reichskanzler habe später vor Franz Joseph eine ähnliche Erklärung abgegeben und hinzugefügt, hierzu vom Kaiser Wilhelm ermächtigt zu sein. Derartige Dinge hängt mau nicht an die große Glocke, indem man sie der Betriebsamkeit herumlungernder Preßjüdchen zur Verwerthung übergibt. Sicher ist nur, daß durch die Begegnung Bismarcks mit dem Kaiser Franz Joseph und Andrassy sowie mit dessen Nachfolger im Auswärtigen Amte das Zusammen­fallen der deutschen und der österreichischen Interessen, der beste Kitt freund­schaftlicher Verhältnisse zwischen Staaten, auf dem Gebiete der auswärtigen Politik konstatirt, und daß dadurch der europäische Friede gesichert worden ist.

Fürst Bismarck hat schon vor einiger Zeit öffentlich erklärt, daß dem