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Aus Haydn's letzter Schaffenszeit : 1. Die zweite Londoner Reise.
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Frau sich, naiv genug, als Wittwensitz ausersehen hatte, das aber vielmehr die Ruhestätte seines Alters werden sollte. Er ließ es später um ein Stock erhöhen und bewohnte es bis an sein Ende, indem er seine Frau um volle neun Jahre überlebte.

Komponiren und Unterrichtgeben blieb jetzt in Wien sein gleichmäßig ruhiges Geschäft, Aber das letztere wurde ihm diesmal bei einem Schüler besonders schwer.Haydn hat hierher berichtet, er werde ihm große Opern aufgeben und sselbstj bald aufhören müssen zu componiren", so schreibt man schon zu Anfang des nächsten Jahres 1793 von Bonn aus über Beethoven. Und dieser An­schauung und dem ganzen Wesen des Meisters entspricht es, daß er dem jnngen Schüler rieth, von den drei Trios ox. 1, die in der gleichen Zeit in Haydn's Gegenwart gespielt wurden, und über die er selbst dem Komponistenviel Schönes" sagte, das dritte in C-moll nicht herauszugeben; er fürchtete, daß solcherSturm und Drang", gegen den allerdings im ersten Augenblickalle andere Mnsik zahm und geistlos erschien", ihm beim Publikum eher schaden als nützen könne. Ans den so leicht mißtrauenden Beethoven aber machte dies einen bösen Eindruck; er glaubte, Haydn sei neidisch, eifersüchtig und meine es nicht gut mit ihm. So erscheint denn auch der Unterricht, der ohnehin nicht viel Aussicht auf Erfolg hatte, weil dem ruhmgekrvnten älteren Neuerer ein noch in höherem Grade revolutionärer Jüngerer gegenübertrat, von Anfang au in seinem inneren Bestände gestört. Doch währte er bis zu Ende des Jahres 1793, der größere Jünger vergaß nicht, was er dem großen Meister schuldig war.Caffee für Haydn und mich" dergleichen Notizen in Beetho­ven's Tagebuch von damals bezeugen, daß persönlicher Privatverkehr auch über den Unterricht hinaus unter ihnen bestand, und diesen brach er äußerlich auch dann erst ab, als Haydn's zweite Reise nach London den schicklichen Vorwand dazu gab. wiewohl er thatsächlich damals bereits der Schüler des aus Mozart's Biographie bekannten Schenk war. Schon öfters hatte er gegen andere Musiker sich beklagt, daß er mit seinen Studien nicht vorwärts komme, weil Haydn, allzuviel beschäftigt, seinen Arbeiten nicht die gewünschte Aufmerksamkeit schenken könne, und Schenk, der Beethoven bereits bei einem solchen Kollegen, dem Abbe Gelinek, phantasiren gehört hatte, war ihm dann eines Tages begegnet, als er gerade mit seinem Heft unterm Arme von Haydn kam, hatte einen Blick in dasselbe geworfen und gefunden, daß sehr viel Unrichtiges darin stehen geblieben War. Dies entschied rasch für Beethoven's Wechsel und Wahl. Dennoch hörte man schon im Sommer 1793 von Wien aus in Bonn, daß der junge Lands­manngroße Fortschritte in der Kunst mache", und dies fällt doch in die Wagschale Haydn's, der eben mit Hilfe seines Fux und PH. E. Bach das auf Praktischem Wege erworbene kontrapunktische Wissen des genialen Stürmers zu Grenzbvten III. 1879. 47