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Die deutsche Literatur zur Zeit des siebenjährigen Krieges. VI. :
(Schluß.)
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nommen, und die Lehre von den Göttern sich in der Genealogie der ersten Gesetzgeber am deutlichsten gezeigt habe."

Vielleicht denken Sie, die Errichtung großer Gesellschaften sei überflüssig gewesen, indem jeder Mensch ein guter Philosoph sein und in den Savoyischen Gebirgen ruhig leben könne. Angenommen, daß von Adams Kindern einige tausend völlig unabhängig geblieben wären, daß sie als Hirten gelebt und sich über die Weide entzweit hätten: was, meinen Sie, würde bei diesem Krieg ent­standen sein? Ein Heerführer, denke ich, auf beiden Seiten, mit einer Macht, viele Köpfe zu vereinigen, sie im Nothfall zn zwingen, zu züchtigen, zu henken, zu brennen, ganze Rotten zu vertilgen. Und wie sollte ein glückliches Genie zu dieser Macht gelangen? Wenn er einen Gott zu Hülfe nahm, mit einer Göttin buhlte, seine Mutter von einem Herkules schwängern und seine Gesetze vom Himmel fallen ließ, Tempel und Priester anordnete und Wnnder befahl."

Alle Gesetzgeber und Stifter großer Staaten haben die natürliche Re­ligion für unzulänglich gehalten, eine bürgerliche Gesellschaft einzurichten, zu binden und zu führen."

Ich habe es oft versucht und Moses mit all der Stärke ausgerüstet, welche d,ie natürliche Religion darbietet; ich habe ihn gegen einige hundert­tausend Ziegelbrenner, welche ihr Gefühl und ihr Gewisse» in den Leimgruben gebildet hatten und ihn stürmisch fragten: wer hat dich zum Richter über uus gesetzt? von der Schönheit der Gestirne und andern Dinge reden lasfen: aber niemals habe ich auch nur zu der Vermuthung gelangen können, daß er damit ein unbändiges Volk von seinem göttlichen Beruf zur Herrschast überzeugt haben würde, besonders wenn es die Noth erforderte, etliche Rotten aufhenken zu lassen."

Ueberhaupt dünkt mich, Gott habe die Seelen der Menschen nicht alle nach einem Maßstab gemacht. Ein großer Theil scheint mir unfähig, gewisse Wahrheiten und Folgen zu begreifen; das Costüm, die Sitten und die Arten zn denken sind uuterschieden. Alle diese Menschen finden sich in der Gesell­schaft, und die Religion muß allen gerecht sein. Wenn wir aber der Er­fahrung folgen, so hat die natürliche Religion alle diese Bedürfnisse nicht er­füllen können."

Was thun wir mit der Beredsamkeit und Poesie? Wir malen unsern Sinnen, weil uns eine sinnliche Rede mehr rührt als bloße Schlüsse. Sollten die Gesetzgeber nicht Recht haben, die Gemüther auf eben die Art zu ihrem Besten cmzugreifen und zu rühren?"

Sie werden aus der Erfahrung wissen, daß die Predigt der Werke Gottes, welche wir täglich vor Augen haben, gar oft dem Geschrei eines Ka­narienvogels gleicht, welches sein Besitzer zuletzt gar nicht mehr hört, während