Beitrag 
Struensee.
Seite
62
Einzelbild herunterladen
 

62

vft fröhlich bis zur Ausgelassenheit und erlaubte sich Extravaganzen, die die Grenzlinie des ewig Weiblichen mitunter überschritten. Struensee war ihr steter Gesellschafter. Er allein durfte sie bei ihren Ausflügen und Jagdritten begleiten. Sie zeichuete ihn sichtbar aus, wo und wie sie nur konnte. Und dem entsprach der freie, legere Ton, den er gegen sie anschlug. Seine Sicher­heit und Keckheit verriethen dentlich, daß er ihrer Gunst unwandelbar vertrauen dnrfte. Bei alledem verhielt sich Christian seinem indolenten Charakter gemäß vollständig passiv. Er wußte, daß Struensee der Geliebte seiner Gemahlin war, er sprach es auch aus, aber er fand nichts dagegen zu erinnern. Eifersucht hatte er nie gekannt, und, wenn wir aus einer Aeußerung schließen dürfen, die er schon als Knabe von dreizehn Jahren that, so war es geradezu sein Grund­satz, daß seine Frau berechtigt sei, die gleiche Freiheit zu genießen, die er selbst sich genommen hatte. Zudem war sein Zutrauen zu Struensee immer mehr gewachsen. Er dankte es ihm, daß die Königin ihre abwehrende Haltnng gegen ihn aufgegeben und so freundlich und zuvorkommend gegen ihn war, er sympathisirte mit ihm in der Neigung, die steife Hofetikette, gegen die er stets Widerwillen gehabt, über Bord zu werfen, vor allem aber, er empfand einen unbegrenzten Respekt vor Struensee's Geist und Fähigkeiten. Er nannte ihn sogar manchmal denKönig von Preußen", und das wollte viel sagen, denn sein großer Zeitgenosse Friedrich II. erschien ihm als eine Art von Ideal, dem nach­eifern zu können, er sich gelegentlich einbildete. Er wies daher Struensee auch äußerlich einen Platz am Hose an, der diesem den persönlichen intimen Verkehr mit beiden Majestäten zur Pflicht machte. Er ernannte ihn (im Frühjahr 1770) zu seinem Vorleser, sowie zum Kabinetssekretär der Königin, und bald darauf erhob er ihn zu dem Range eines Konferenzrathes.

Damit stand Strnensee, durch ein beispielloses Glück emporgetragen, gleich­sam in der nächsten Nähe des Thrones. Gestützt auf die liebende Hingebung der Königin und die absolute Fügsamkeit des Königs, beherrschte er den Hof. Es galt nun, auch das Letzte und Höchste zu erreichen: die Alleinherrschaft im Staate. Bereits im Sommer 1770 machte er sich an's Werk. Der erste vor­bereitende Schritt war die Berufung zweier Männer, die er sich als Helfer ausersehen hatte, und die ihm in verschiedener Weise von Nutzen sein sollten. Es waren dies zwei seiner intimsten Frennde aus der Altonaer Zeit, die beide schon einmal am Hofe eine Rolle gespielt hatten, dann aber ungnädig verab­schiedet worden waren und daher den Augenblick herbeisehnten, wo sie ihre alte Stellung wieder einnehmen könnten. Der Eine von ihnen, ein dänischer Edel­mann, Enevold v. Brandt, nur wenig jünger als Struensee, hatte früher die Stelle eines Kammerjunkers und Assessors des höchsten Gerichtshofes in Kopen­hagen bekleidet, war aber in demselben Jahre, in welchem Struensee zum Reisearzt