Beitrag 
Die Aerzte zu Urgroßvaters Zeit.
Seite
277
Einzelbild herunterladen
 

277

rollende Sätze auszugleichen wissen. Andere nennen ein deutsches Dorf oder Städtchen ihre Heimat nnd waren vordem Schweineschneider oder Barbiere. Ein solcher Marktschreier war ein gewisser Fuchs, der 1742 während des Hamburger Herbstmarktes alsAugen-, Bruch-, Stein-, Wurm- und Wundarzt mit Kopf-, Brust- und Magnetrisineth und spanischem Laxirbrod" erschien und mit seinem Hanswurst und drei Haiducken allerlei Possen und Schwänke aufführte.

Manche von diesen fahrenden Medikastern verkauften neben ihren angeb­lichen Arzeneien unter denen der Theriak, ein Gemisch aus Opium, spanischem Wein, Honig, Baldrian, Angelikawnrzel, Meerzwiebel, Zittwer, Zimmt, Karda­mom, Myrrhe und Eisenvitriol, lange Zeit die erste Stelle einnahm auch Liebestränke, Schönheitsmittel, Brillen und Amulete. Der eine hatte Wurm­samen, der andere Bilsensamen gegen Zahnweh feil, ein dritterPhilosophen-Oel" oderdie Quintessenz, womit man bald reich werden kann". Wieder ein anderer Schwindler pries eine Salbe znr Stärkung des Gedächtnisses oder Mückenfett gegen die Schwindsucht an, alle aber fanden mehr oder weniger Liebhaber für ihre Raritäten. Die meisten trieben dabei die Kunst des Ausziehens schadhafter Zähne, die mittelst Kneipzange oder Schlüssel delikat entfernt wurden, was natürlich unter freiem Himmel auf der Schaubühne vorgenommen wurde. Nur ernstere Arbeiten der Chirurgie, z. B. Steinoperationen, wurden im Hinter­grunde des Gerüstes in einem Verschlage vollzogen, und der Possenreißer, der den Doktor als Famulus begleitete, mußte dann durch Bockssprünge und grobe Späße das Publikum bei schallendem Gelächter erhalten, so daß es das Angst­gestöhn und Schmerzgeheul des gepeinigten Patienten nicht zu hören bekam. Anatomische Kenntnisse hatten diese Bruch- und Steinschneider nur in seltenen Fällen. Die Regierungen aber störten sie in ihrem Gewerbe nicht. Und so blieb es bis nahe an unser Jahrhundert heran, namentlich in den Zwergstaaten Franken's und Schwaben's, und groß war das Unheil, welches diese Ninxirioi mit ihrer dreisten Unwissenheit, die unbefangen sich an die schwierigsten Opera­tionen wagte, unter Vornehmen und Geringen anrichteten. L>

Aus dem Keichslande.

Sie wollen nach langer Zeit wieder einmal etwas aus dem Reichslande hören? Gern, das heißt eigentlich nicht gern, denn der Kern der Frage wird von so zahlreichen Staubwirbeln umgeben, daß es nicht immer angenehm ist, sich mit derselben zn befassen. Immerhin sollen Sie etwas aus dem schönen

Grenzboten II, 1379. 36