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Drei Sensationsmaler. III. : Gabriel Max.
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dem zart hingehauchten Mädchen gemeint ist, läßt er offen, damit der Beschauer, dem der Vorgang des Bildes ziemlich klar ist, doch an seinem Titel etwas herumgrübeln kann. Der Erlöser, dessen feiner, durchgeistigter Kopf an die aesthetischen Schönredner der Münchener Salons erinnert, sitzt am Bette der Kranken und hält ihre Hand zärtlich umfaßt. Er hat das belebende Wort gesprochen und wartet nun, daß das Leben in die halb erstarrten Züge des bleichen, zarten Angesichts zurückkehre. Die Situation wäre in ihrer Einfach­heit ergreifend, wenn der Maler nicht durch einen überflüssigen Scherz, ohne den es nun einmal bei ihm nicht abgeht, den harmonisch feierlichen Gesammt- eindruck verdorben hätte. Auf dem Arme des Mädchens sitzt nämlich eine große Fliege, die so meisterlich, mit so fabelhafter Naturwährheit gemalt ist, daß sich hier das Wunder des Zeuxis und Parrhasius erneuern könnte. Nur würde der Fliegenschnäpper, der nach dem Insekt haschen wollte, nicht vor dem Arme des Mädchens zurückschrecken, aus dem Blut und Leben völlig gewichen sind.

Ein herbes Seitenstück zu diesem immerhin friedlichen Gemälde, auf dem doch das Leben noch über den Tod den Sieg davontrügt, wenn der Maler auch diesen Sieg noch nicht vollständig dargestellt hat, bildet derAhasver" vor der Leiche eines Kindes. Der Sarg steht in einem dunklen Gewölbe, auf dem Angesichts des Kindes liegt die süße Ruhe des Todes, aber in den verzerrten Zügen des zur ewigen Ruhelosigkeit verdammten Juden prägt sich grimmiger Neid auf das arme Wesen aus, das den seligen Schlummer schläft. Mit dieser raffiuirten Gegenüberstellung hat Gabriel Max das Höchste erreicht, was bisher seiner krankhaft überreizten Phantasie entsprossen ist. Was später folgte, war entweder rein kurios oder rein pathologisch oder so widerwärtig, daß es kaum eine Beachtuug verdient. In die letzte Kategorie gehört einTannhäuser", der sehnsüchtig auf das Meer blickt, während eine bleichsüchtige, olivengrün gefärbte Venus ihn vergebens durch ihre schlaffen Reize zu fesseln sucht, ein trauernder Affe, den Max mit unübertrefflicher SelbstironieMignon" getauft hat u. f. w.

In das Gebiet der Kuriositäten gehört der schon erwähnte Christuskopf mit dem doppelten Blicke, der seit 1876 wie ein Mirakel durch die Hauptstädte Europa's geführt und je nach der religiösen Stimmung oder nach dem Glaubens- bekenntniß der Bewohnerschaft in kapellenartigen Räumen auf Altären und mit Kerzenbeleuchtung oder in den profanen Lokalen der Kunstvereine aufgestellt wird. Auf ein mit großen Nägeln festgenageltes grobes Linnentuch, dessen rohes Gewebe an die Byssoslaken erinnert, in welche die ägyptischen Mumien eingewickelt wurden, ist das Antlitz des Erlösers gemalt, der Sage getreu, welche von der heiligen Veronika erzählt wird, die mit ihrem Tuche den Schweiß von dem blutigen Angesichts des Heilandes auf seinem letzten Wege trocknete und den Abdruck seiner schmerzdurchfurchten Züge in dem Gewebe