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der Beschauer gegriffen; darum breitete der Maler über dem unglücklichen, vernachlässigten Geschöpfe den Hauch der Verwesung aus, den grünlichen Ton, welchen gewöhnlich erst die „Wasserleichen" anzunehmen pflegen. Daß das Bild virtuos gemalt ist, wird durch unsere Besprechung vorausgesetzt. Stümpereien ignorirt man. Aber der Maler, mit dem wir uns hier beschäftigen, hat wie kaum ein zweiter alle Töne in seiner Gewalt, mit denen er auf unklare, weiche Gemüther wirken kann. Man hat gesagt, diese Julia „mit den dunklen Flechten und dem scharf gezeichneten Munde" könnte ebensowohl eine Miranda, eine Desdemvna, eine Perdita, eine Helena, eine Viola fein. Gewiß. Denn es fehlt ihr jede Spur von Individualität. Es ist der Max'sche Typus, der auf allen seinen Gemälden wiederkehrt, von der Lampenverkäuferin an, die denselben scharf geschnittenen Mund, dieselben hageren, vergrämten Züge dem allgemeinen Mitleid darbietet. Im Grunde genommen kehrt überall dasselbe Grundthema wieder; nur die Maskerade ist anders, und die Variationen sind so kunstvoll arrangirt, daß der harmlose Beschauer gar nicht bis aus den Grund blicken kann.
Das Motiv zu dem nächsten Bilde war einem Gedichte Chamisso's entlehnt, der „Löwenbraut". Im Käfig des Löwen liegt die entseelte Tochter des Thierbändigers, den Brautkranz im Haar, auf dem Bodeu, die Hände im Todeskampfe in den Sand gegraben:
„Die schöne Gestalt, ein gräßlicher Raub, Liegt blutig, zerrissen, entstellt in dem Staub."
Der Löwe hat seine Tatzen auf den Körper des Mädchens gelegt, das er eben getödtet, und erwartet mit erhobenem Haupte, trotzigen Muthes die Kugel aus der Büchse des ergrimmten Bräutigams, der von draußen herbeistürzt. Der Löwe legt Zeugniß dafür ab, daß Gabriel Max sich eifrig mit dem Thierstudium befaßt hat. Er hätte freilich ein schöneres und kräftigeres Exemplar auswählen können. Aber um eine so schwächliche Gestalt, die kaum das Kleid ausfüllt, niederzustrecken, bedürfte es auch keines stolzen Wüstenkönigs. Dem Bilde fehlt es übrigens an dem Farbenreiz, an der Zartheit des Kolorits, an der träumerischen Harmonie, die wir an den Gemälden des Künstlers immer noch bewundern müssen, auch wenn wir sonst nichts zu bewundern haben. Das Rosa des Kleides, das schmutzige Gelb des Löwen und das graue Grün der Bäume außerhalb des Käfigs vereinigen sich zu einer Disharmonie, wie sie schriller und unangenehmer kaum gedacht werden kann.
Im Jahre 1875 versuchte sich Max — ich glaube zum ersten Male — auf dem religiösen Gebiete, indem er den Heiland am Bette eines sterbenden Mädchens als Herrn über Leben und Tod darstellte. Der Maler sagt nur: „Christus, eine Todte erweckend." Die Frage, ob des Jairus' Töchterlein mit