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Treitschke's Deutsche Geschichte.
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ist ihm die Allgel, iil der sich die ueuere Geschichte Deutschland's dreht; auch da, wo er tadelt, bitter und scharf tadelt, ist seiu Herz bei Preußen, dem Hort und Schirm, dem Bürgen für die Zukunft unseres Volkes. Und dem entspre­chend liegt denn auch diesem ganzen ersten Buche die Tendenz zu Grunde, als die beiden Kräfte, welche aus dem tiefen Verfall der mittelalterlichen Institu­tionen, aus der Versassungslosigkeit seit dem westphälischen Frieden unser Volk wieder zur Lebensfähigkeit emporgezogen haben und welche darum auch für Gegenwart und Zukunft die ersten Bedingungen seines Lebens sind, nachzn- weisen: die Glaubensfreiheit und den preußischen Staat. Dies ist die Lehre, die er dem gegenwärtigen Geschlechte predigt. Was er bei Gelegenheit des Wiener Kongresses bemerkt:Unter den politischen Sünden, welche dieser un­glücklichen Nation (der preußischen) die Bahn zur Macht und Freiheit ver­sperrten, ward keine so verderblich wie die allgemeine, in einem gebildeten Volke fast wunderbare Unkenntniß des eigentlichen Inhaltes der neueren vater­ländischen Geschichte. Von allen den gewaltigen Umgestaltungen, welche die Entstehung des preußischen Volksheeres und damit die Befreiung Deutschland's erst ermöglicht hatten, wußte man in den Kleinstaaten schlechterdings nichts" haben diese Worte nicht auch noch für die Gegenwart zum guten Theil ihre Geltung? Neben der schweren politischen Arbeit aber, die der preußische Staat an dem deutschen Volke verrichtet hat, geht die große aus dem ureigenen Schooße desselben entsprossene, mit dem Wiedererwachen unserer Literatur be­ginnende Geistesarbeit einher, bis endlichdas alte harte, kriegerische Pren- ßenthum und die Gedankenfülle der modernen deutschen Bildung sich zusam­menfinden, um nicht wieder von einander zu lassen". Durch das Zusammen­treffen der denkbar ungünstigsten Umstände haben die wohlerworbenen An­sprüche Preußen's bei der Neuordnung von 1814 und 1815 keine Beachtung, geschweige Anerkennung gefunden; aber die nie versagende geschichtliche Gerech­tigkeit behält sich ihr Endurtheil für eine künftige Stunde vor.Mochten die Kleinstaaten noch eine Weile ihre französischen und englischen Institutionen behalten, da sie doch vor der Hand weder die Kraft noch den Willen besaßen, die Geschenke der Fremden aufzugeben. Unterdessen wuchs und reifte in Preußen Scharnhorst's Werk, die deutsche Kriegsverfassung, und einmal doch mußte die Zeit kommen, da das ausländische Wesen in den kleinen Staaten sich überlebte. Dann konnte das preußische Volksheer sich zum deutschen Heere erweitern. Bei Großgörschen stand seine Wiege, wer mochte wagen, ihm die stolzen Siegesbahnen seiner Zukunft vorherzubestimmen? Boyen trug in seiner verschlossenen Seele die sichere Ahnung, daß dies nationale Heer dereinst noch reichere Kränze um seine Fahnen winden würde als weiland die Soldaten Friedrich's."