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Preußen und die katholische Kirche seit 1640.
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gelischen Gottesdienst einrichten könnte. Der Umstand, daß esviel katholische Bürger und Leute" in Berlin gab, war für den König genügend. Ein wirth­schaftliches Interesse war es, welches den König bestimmte, in der Grafschaft Lingen den katholischen Kultus zu gestatten: die katholischen Bewohner der Grafschaft stellten ihm vor, daß sie durch den weiten Weg zum Gotteshause jedesmal einen ganzen Tag versäumen müßten. Aus dem gleichen Interesse gestattete er den katho­lischen Gottesdienst in Tilsit er fürchtete, daß seine katholischen Unterthanen daselbst das Land verlassen möchten und hob in der Grafschaft Lingen die von dem oranisch-holländischen Regiments herrührenden Erbrechts-Beschränkungen der Katholiken auf, nach welchen wohl die Deszendenten, nicht aber die Kollateralen katholischer Bürger in den Besitz nachgelassener Güter gelangen konnten. Wie wenig sich freilich die Katholiken solcher Milde würdig zeigten, beweist der Umstand, daß mehrere Geistliche und die Jesuiten in Preußen die Abhaltung des Kirchen­gebetes für den König und sein Haus verweigerten. Diese Unduldsamkeit der Katholiken machte es auch ihm wie seinen Vorgängern unmöglich, immer duldsam zu sein. Aber selbst die wenigen und geringfügigen Repressalien, zu denen er durch den katholischen Klerus provozirt wurde, wandte er mit der größten Schonung und auf kürzeste Frist an. Und er verblieb bei der Tradition seines Hauses auch dann, als in Rom, in der nächsten Umgebung des Papstes, eine Denk­schrift verfaßt wurde, welche einen großen Kreuzzug gegen die Ketzer im Stile des dreißigjährigen Krieges anregen sollte, und in der es hieß, Brandenburg sollegänzlich supprimirt werden".

Um zu einer festen Regelung der Beziehungen zum katholischen Klerus und zum römischen Stuhle zu gelangen, wünschte der König die Ernennung eines Vikars, in welchem die katholischen Unterthanen seiner Monarchie ihr gemeinsames Oberhaupt erblicken sollten. Der Amtsbezirk des Vikars sollte zuerst Magdeburg, Halberstadt, Minden, später die ganze Monarchie umfassen, dann wieder nur einen Theil der letzteren. Auch hier war ein wirthschaftliches Interesse auf Seiten des Königs wenigstens mit bestimmend. Es sollte durch Errichtung des Vikariats verhindert werden, daß die Gebühren für Weihen, Visitationen und Dispensationen an auswärtige geistliche Würdenträger, also außer Landes gingen.

Soweit die Darstellung des Verfassers. Das ganze Werk bestätigt in überraschender Weise den Satz v. Sybel's in seinem Prospekte zu den vorlie­genden archivalischen Publikationen:Es gibt keine bessere Propaganda für das Ansehen Preußen's in der Welt, als die authentische Kenntniß der preu­ßischen Geschichte." Und nun erinnere man sich angesichts der urkundlichen Dokumente, die uns hier über die Religionspolitik der hohenzollern'schen Fürsten mitgetheilt werden, der Worte, welche Windthorst (Meppen) in der Sitzung