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Rußland und die Russen. II.
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Schattenseite des Systems nicht mehr oder weniger in allen Staaten hervor­treten würde, da es rein von den leitenden Persönlichkeiten abhängt, zwischen einem Nepotismus, der Unfähigkeit außer der Tour befördert, und starrem Festhalten an der Aneiennitätsliste das Schiff der Staatsverwaltung hindurch zu laviren.

Das Charakteristische dieser Einrichtung in Rußland bestand und besteht darin, daß zur Zeit ihrer Entstehung jene Staatsraugliste nur leere Blätter aufwies, und daß es heute, nach zweihundertjähriger Kulturarbeit, immer noch lange Kolonnen gibt, in denen nur weuige Namen fignriren. Es ist demnach höchst ungerecht, die großen Fehler, welche in militärischer wie admiuistrativer Beziehung im Beginn des letzten Feldzuges gemacht worden, sind, in Bausch und Bogen der Regierung oder gar dem Volkscharakter zuzuschieben. Man frage nur den Kommandeur einer russischen Division, wie viele geeignete Per­sönlichkeiten in den mittleren Graden der Subalternosftziere, der Stabsoffiziere, in der Intendantur seine Division aufzuweiseu habe. Wenn man Gelegenheit hat, auf solche Fragen offene und ehrliche Antworten zu erhalten, was selbst­verständlich nur bei ganz außerordentlichen Verhältnissen, naher Verwandtschaft u. dgl. zu erwarten sein kann, dann wird man überrascht sein über die Resul­tate, die mit solchem Material errungen werden. Es soll hiermit nicht der geringste Tadel gegen irgend einen Stand der Armee ausgesprochen werden. Man erkundige sich einfach, wie der private Schulunterricht vou Männern, die heute 30 bis 60 Jahre alt sind, in ihrer Jngend gewesen ist, wie er selbst in den kaiserlichen Kadettenkorps war. Der Verfasser dieses Aufsatzes besitzt das Geschichtswerk, nach welchem ein Freund von ihm zwölf Jahre lang an einem der ersten kaiserlichen Institute unterrichten mußte ein kurioses Ding. Wenn aber solche Zustände dem Augapfel der Herrscher, der Armee, eigenthüm­lich waren, so schließe man daraus auf die Vorbildung, mit der ein Aktnar, ein Obersteiger, ein Förster in seinen Dienst trat, dessen Vater vielleicht ein wohlhabender Bauer oder Fuhrherr war. Und nun erst die Bildung der Armen!

So kann man gewissermaßen auf induktivem Wege sich ein Bild der Riesen­arbeit entwerfen, welche Rußland zu bewältigen hat, um das Material für einen Beamtenstand zu gewinnen, wie es die alten Knlturstaaten besitzen, mühe­los erhalten und verwerthen können als die Frucht einer viele Menschenalter hindurch gepflegten sorgfältigen Volkserziehung. Wegen des Mangels an ge­eigneten Kräften entsprang aber noch ein anderer großer Fehler in der Ver­waltung aus der allgemeinen Anwendung desTschin". Wo es passend erschien, wechselte ein und dieselbe Person häufig ihre Stelle in einem Zweige der Verwaltung, um mit dem gleichen Range, demTfchin" gemäß, in ein anderes Ressort überzutreten. Da die meiste Sorgfalt in früheren Zeiten, be-