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Ueber einige Mängel an unseren Parlamenten. II.
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großer Spielraum in Bezug auf die Erfüllung des Gesetzes. Dies gilt namentlich von den Gesetzen nach der wahren Idee des konstitutionellen Staates, welcher mehr und Wichtigeres auf das Gewissen seiner Angehörigen stellt, bei der Ausübung des Gesetzgebnngswerkes selbst die Geltendmachung des ganzen organischen Volkslebens beabsichtigt und eben deshalb dem Grundsätze der Transaktion huldigen muß" eine Wahrheit, die Bismarck in den Worten: Die Basis aller konstitutionellen Verfassung ist der Kompromiß", und die Odilon Barrot in dem Satze:I^ss rstorinss ns Lont <zns clss tra,n8Ä(zti0r>,s" ausgedrückt hat. Das Prinzip der Ausgleichung ist und war in allen Staaten der Träger derjenigen Bestandtheile, die in ihnen organisch waren, im Konsti- tntionalismns aber muß es seiner Idee nach für das gauze staatliche Leben als wirksam anerkannt werden.

Den Gesetzen selbst," so fährt unser Autor fort,würde alles höhere Leben fehlen, wenn sie allein das ganze Leben des Staates sein müßten. Denn sie würden den Menschen, statt ihn dnrch Gewährung einer von ihnen unbe­rührt gelassenen Sphäre freizulassen, zum bloßen Sklaven einer Masse positiver Satzungen machen, weil sie der menschenwürdigen Sanktion und des Mittels einer organischen und darum sicheren Fortbildung eutbehren müßten." Das wäre der sogenannte Rechtsstaat im Sinne der Extremen. Er wäre die in einem bestimmten Augenblicke sich vollendende und dann endgiltig feststehende ' Krystallisation des inneren höheren Lebens eines Volkes und somit gerade auf seiuer höchsten Entwickelungsstufe die vollständigste Vernichtung der individu­ellen Freiheit und der persönlichen wie staatlichen Fortschrittsfähigkeit. Aber auch der milder gestaltete Rechtsstaat, den man als Vollendung des Konstitn- tionalismus preisen hört, und der die neben den Gesetzbauern bestehenden Faktoren des geselligen Lebens zwar nicht vom Staate ausschließt, aber die Forderung erhebt, daß sich dieses Leben nur um das Schaffen, Erfüllen und Erhalten von Gesetzen bewege, ist ein Unding. Man will damit, wie Held bemerkt, den konstitutionellen Staat zum Gegentheil des administrativen Polizei­staates gestalten, weshalb man sich bestrebt, Gesetzgebung und Justiz von der Verwaltung äußerlich vollkommen zu trennen und das Gebiet der ersteren in demselben Grade zu erweitern, wie man das der letzteren zu beschränken sucht. Darin aber mischt sich Wahres mit Falschem.Denn nicht darin, wie ein Gesetz zu Stande gebracht werde, auch nicht in der Annahme einer für alle Gegenstände staatlicher Verfügung gleich vorzüglichen Eigenschaft der Gesetzes­form liegt die Befriedigung aller Staatsbedürfnisse, sondern darin, daß die­jenigen Dinge, welche unter den obwaltenden Verhältnissen ihrer inneren Natur nach zur Gesetzgebung und Rechtspflege gehören, nnr dieser unterstellt werden, der Verwaltung aber diejenigen zufallen, welche aus denselben Gründen der