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wo es allerdings heißt: „Jedermann wird die volle Freiheit gelassen, seinen eignen Vortheil auf dem ihm beliebenden Wege zu suchen. Der Landesfürst wird ganz der Pflicht überhoben, über die gewerbliche Thätigkeit der Privatleute zu wachen uud sie auf diejenigen Gewerbe hinzulenken, die dem Vortheile der Gesellschaft am zuträglichsten sind." Hieraus ließe sich zwar folgern, daß Smith mit dem Manchesterthum einer Meinung gewesen sei, allein sein ganzes Buch widerspricht in den Detailansführungen dieser Annahme; denn in diesen erscheint der nationale Vortheil in erster Reihe, und der prinzipielle Freihandel wird durch Rücksichten auf die thatsächlichen nationalen Verhältnisse beschränkt. Auch kann, wie wir diesem Urtheil Stommel's hinzufügen, nicht oft genug daran erinnert werden, daß Adam Smith ein zweites Werk: „Itivor^ ot? inors.1 ssntiillöirts" geschrieben und sich in den letzten Jahren seines Lebens mit einem dritten beschäftigt hat, in welchem er den Widerstreit der sittlichen Empfindungen und des Egoismus uud deren Versöhnung mit einander — doch wohl in dem Staate — zu behandeln beabsichtigte.
Solche praktische Politik paßte aber den englischen Großfabrikanten nicht in's Geschüft. Dieselben hatten den einzigen Zweck vor Angen, zu eignem Vortheil den Freihandel möglichst weit und möglichst radikal auf dem Kontinent eingeführt zu sehen, weil sie davon Erleichterung in Betreff der heimischen Ueberproduktion zu erwarten hatten. Die englische Presse spricht das gelegentlich offen aus: So sagt der „Manchester Guardian" vom 12. September 1877: „Die Industrie ist allenthalben die Grundlage nationalen Wohlstandes und dieser wiederum die wesentlichste Bedingung des zivilisirten Lebens der Nation. Man kann in England nicht mehr die Arbeitsstunde» der Fabriken reduziren, ohne den Wohlstand aller Klassen der staatlichen Gesellschaft zu gefährden." Es muß also Ueberproduktion eintreten, und um dieser Abfluß zu schaffen, muß die fremdländische Industrie durch Beseitigung wo möglich aller Zölle von der mächtigeren englischen erstickt werden. Diese Großindustrie prvdnzirt so viel, daß sie die ganze Welt damit versorgen könnte. Sie muß daher jeder regen Entwickelung gewerblicher Thätigkeit in andern Ländern'feind sein, und so muß sie um jeden Preis die möglichste Ausdehnung des Freihandels fördern. Mit welchen Summen dies in der That geschehen ist, hätten uns vielleicht ältere Apostel des Manchesterthums in Deutschlaud sagen können.*)
Kehren wir zu deren englischen Gönnern nnd Auftraggebern zurück, so bedurften sie eines Prinzips, welches den absoluten Freihandel auf inter-
Es ist lange cm Geheimniß gewesen, aber jetzt kcins mehr, daß der Stcttincr Freihcmdclsverein, der gewissen Herren für ihre schriftstellerischen Leistungen zu Gunsten des Manchesterthums überreichliche Honorare zahlte, sehr wesentliche Zuschüsse aus England erhielt.
Grenzboten I. 1S79. ' 2