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Sozialpolitische Literatur.
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stehen als eine nothwendige Folge der sozialpolitischen Entwickelung und legt zu wenig Gewicht aus die vermeidbaren und zufälligen Umstände, welche nicht in letzter Reihe ihr riesiges Anwachsen ermöglicht haben, allein er verliert deshalb doch nicht den Blick für den inneren Widerspruch dieser ganzen Partei­bildung, den er vielinehr durch eine feine Bemerkung schlagend aufdeckt. Be­kanntlich stellt Marx unsere gegenwärtige Wirtschaftsform als Vorbereitungs- stadinm und Vorschule für die kommunistische Epoche dar, indem er voraussetzt, daß unter der Herrschaft der freien Konkurrenz der kleine Besitz vernichtet und in die Hände einer geringen Zahl von Großkapitalisten übergehen werde. In diesen Großunternehmungen würden die Arbeiter so an das Gefühl der Gleich­heit und das Zusammenarbeiten gewöhnt, daß es nnr noch der Entwickelung des nöthigen Grades von Geschäftskenntniß bedürfe, um diekapitalistische Spitze" abzustoßen und das kapitalistische in ein kommunistisches Unternehmen zu verwandeln. Mit Recht sagt nun Scheel, daß ein Zustand, welcher erst das Ergebniß einer geschichtlichen Entwickelung sein solle, vernünftigerweise gar nicht als Grundlage einer Parteiagitation, als das Ziel einer agitatorischen Thätigkeit gebraucht werden könne. Gelänge wirklich eine Revolution behufs Abschüttelung derkapitalistischen Spitze" und Einleitung des kommunistischen Betriebes, so müßte sie naturnothwendig scheitern, theils aus Mangel an kapitalistischen Spitzen", theils, wo bestehende Großbetriebe wirklich in kom­munistische Genossenschaften umgewandelt werden könnten, aus Mangel an geschäftsmäßiger Vorbereitung.

Am härtesten urtheilt Scheel über die sozialpolitischen Strebungen der liberalen und speziell der nationalliberalen Partei. In diesen Partien seiner Schrift ist er von dem Vorwurfe tendenziöser Beeinflussung seines geschichtlichen Urtheils schwer freizusprechen. Darin hat er zwar vollkommen Recht, wenn er die liberale als die sozialpolitisch konservativste der bestehenden Parteien kennzeichnet, denn in der That ist es ihre Aufgabe, die wirthschaftlichen Er­rungenschaften, welche sie vornemlich hat erzielen helfen, gegen alle Angriffe von rechts und links zu erhalten und zu schützen. Aber Herr von Scheel geht weiter und schiebt der liberalen Partei in allerdings nur mehr andeutender, aber doch auch wieder recht verständlich andeutender Weise unter, daß sie sozial- Politisch auf jenem ganz ungeschichtlichen Standpunkte des Beharrens stände, welcher die Möglichkeit und vollends die Nothwendigkeit jeder Weiterentwickelung leugne. Auch dieser Anschauung ließe sich vielleicht noch zu Gute halten, daß sie durch die zu ausschließliche Beachtung vereinzelter Aeußerungen einzelner Wortführer der liberalen Wirthschaftspolitik entstanden sei, aber wenn Scheel dann endlich einen prinzipiellen, sozialpolitischen Unterschied zwischen der national­liberalen und der Fortschrittspartei statuirt, wenn er jener das dumpfe Be-