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Literatur.
Unter den Prachtwerken, die uns zur Besprechung eingesandt wurden, erwähnen wir mit Freude die zweite Auflage des namentlich durch seine vorzüglichen Holzschnitte hervorragenden, von Karl Stieler, Eduard Paulus und Woldemar Kaden herausgegebenen Werkes Italien (Stuttgart, I. Engelhorn), das freilich leider bis zum Feste keinesfalls vollendet sein wird. Uns liegen dermalen nur die ersten Lieferungen vor. Doch lassen diese schon das schöne Streben aller Betheiligten erkennen. Ein Vergleich mit der ersten Auflage belehrt uns zugleich darüber, mit welcher erfreulichen Kritik die Unternehmer weniger gelungene Abbildungen durch tadellose zu ersetzen verstanden.
Als ein „Prachtwerk ersten Ranges" kündigt sich selbst an das nun abgeschlossene Werk Germania von Johannes Scherr, „zwei Jahrtausende deutschen Lebens kulturgeschichtlich geschildert" (W. Spemann, Stuttgart). Daß der kunstsinnige, immer das Schönste und Beste anstrebende Verleger Alles erfüllt hat, was sein Prospekt ursprünglich verhieß, soll gern zugestanden werden. Jedenfalls bietet das Werk weit mehr, als die Germania auf dem Umschlage versprach, welche bekanntlich in der Tracht einer Diakonissin dargestellt ist, welche offenbar ungenügende milde Beitrüge bucht. Druck, Papier, Ausstattung sind wirklich schön, die Bildwerke meist vortrefflich — einige von ihnen, wie z. B. gerade die Krönung Friedrich's I. von Preußen in der Schlußlieferung, freilich auch sehr wenig gelungen, aber nicht durch Schuld des Verlegers und Holzschneiders, sondern durch diejenige der Herren Künstler. Dagegen tritt auch bei diesem Werke jener Unstern hervor, welcher schon öfter das beste Streben dieser Verlagshandlung in seinem Erfolg beeinträchtigt hat. Die Hauptarbeit ist in die unrechte Hand gelegt worden. Wer die Schreibweise und das Wissens- und Urtheilsmaß einigermaßen kennt, über welche Herr Johannes Scherr verfügt, hätte dem Verleger vorhersagen können, welchen geringen Werth der Text haben würde, der diesem Verfasser übertragen war. So ist denn auch das ganze Werk ein im höchsten Maße unharmonisches Ding geworden. Die besten künstlerischen, typographischen, xylographischen Leistungen sind — wir finden keinen andern Ausdruck — verschwendet worden an einen Text, den kein wirklich unterrichteter Kenner deutscher Kulturgeschichte genießbar oder gar erfreulich finden wird, und aus dem der nicht Unterrichtete — wenn dieser überhaupt das theure Werk liest — nichts lernen kann, weil dem Verfasser vor Allem jene Eigenschaft gebricht, die den Historiker macht, die Objektivität.