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Die vierte Woche des Preußischen Landtags.
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genehmen Beamten nöthig werde, weil diese den loyal die Gesetze befolgenden Beamten die gesellschaftliche Stellung zu erschweren pflegten. Aus dieser Kund­gebung scheint zum ersten Mal hervorzugehen, daß der neue Minister auf dem Boden der bisherigen Kirchenpolitik steht.

Dem Parteihader folgte am 10. Dezember eine kurze Erfrischung durch die erste Berathung des Kommunalsteuer-Gesetzentwurfs. Es zeigte sich dabei wieder, daß die ersten Berathungen von Vorlagen, deren Verweisung an eine Kommission zweifellos ist, eingeschränkt werden könnten, denn eine Besprechung der verschiedenen Gesichtspunkte, wie sie hier Löwe vornahm, schließt erfah­rungsmäßig eine Wiederholung auch nach der Kommissionsprüfung nicht aus, sodaß Dasselbe meist zweimal vorgetragen wird.

Die Freude an einer geschäftlichen Debatte dauerte jedoch nicht lange; der 11. Dezember brachte ein neues Schauspiel, dem man mit Unwillen entgegen­sehen mußte, das wir aber nun, wo es abgespielt, nicht missen möchten. Kaum hatte der König die Regierung wieder übernommen, so nahm das Zentrum mit erneutem Eifer die Versuche zur Nedressirung der kirchenpolitischen Gesetze wieder auf. Es rechnete dabei ganz augenscheinlich auf den in Folge der Atten­tate und der Sozialistengefahr sowohl im Mai dieses Jahres als auch am 5. und 6. dieses Monats hervorgetretenen Wunsch des Königs, daß das Volk sich der Religion wieder mehr zuwenden möge. Die hierauf gebauten Hoffnungen evangelisch Orthodoxer und Ultramontaner datiren schon seit Herbst 1876, wo der König am Rhein sich über die Schulverhältnisse geäußert. Allen den Ge­rüchten über bevorstehende Reaktion, welche nach dem ersten Attentate herrschten, schien allerdings wenigstens in Hinsicht auf Tendenzen des evangelischen Kirchen­regiments etwas zu Grunde zu liegen. War endlich doch auch das damalige Entlassungsgesuch Falk's nur in Folge des Regierungswechsels hinfällig ge­worden. So begreift es sich, daß das Zentrum gleichzeitig mit dem Gerüchte einer Erneuerung dieses Gesuchs die Zeit für einen neuen Vorstoß gegen die bisherige Kirchenpolitik der Regierung gekommen glaubte. Der zunächst ein­gebrachte Antrag auf Herstellung der Artikel 15, 16, 18 der Verfassung und der bald folgende Antrag auf theilweise Sistirung des Ordensgesetzes bilden ein Ganzes. Durch ersteren wurde den Verhandlungen der Regierung mit Rom vorgegriffen. Die Feindseligkeit der Ultramontanen konnte gegenwärtig keinen stärkeren Ausdruck finden, als durch die Zumuthung der Herstellung eines Zustandes, dessen Beseitigung durch das Gesetz vom 18. Juni 1875 dem Staate erst völlig die Bahn zu einer seiner würdigen Selbstbestimmung der Grenzen gegen das kirchliche Gebiet eröffnet hatte und die Hauptstütze seiner bis dahin siegreich behaupteten Stellung bildete.

Aus Bedenken, die in letzter Stunde gekommen, stellte das Zentrum plötzlich