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erste Auftreten des neuen Finanzministers Hobrecht stach sehr ab vvn der selbstzufriedenen Wohlgefälligkeit, mit welcher sein Vorgänger Camphansen zehn Jahre lang den Ueberblick über die Finanzlage gegeben hat. Ein eigenthümliches Geschick hatte gewollt, daß Hobrecht's Verwaltung gerade in dem Momente anheben mußte, wo zum ersten Male sich ein erhebliches Defizit herausstellte; aber durch die Art, wie er am 20. November die im Allgemeinen längst bekannten Gründe des Defizits detaillirte, scheint er sich Zutrauen, zum wenigsten kein Mißtrauen erworben zu haben. Er stellte sich voll und ganz als Vertreter der Richtung des Fürsten Bismarck hin, aus welcher der Wechsel in der Leitung des Finanzministeriums überhaupt hervorgegangen ist. Mit seiner Hinweisung auf die dem Reiche sich immer stärker ausdringende Nothwendigkeit, für Vermehrung der eigenen Einnahmen durch Ausbildung der Zölle und Verbrauchssteuern zu sorgeu, war Alles gesagt, sowohl in Hinsicht des Hauptgrundes des Defizits und seiner vorübergehenden Natur, als auch der Abhilfe. Auch seine Darstellung der Ungerechtigkeit der zu sehr gesteigerten Einkommensteuer und der Nothwendigkeit, für Erleichterung der ohnehin demnächst stark in Anspruch zu nehmenden Kommunen zu sorgen, traf ganz die früheren Audeutungeu des Reichskanzlers. Nach Allem, was im Frühjahr über Steuerreform im Reichstage verhandelt wurde, ist es sehr begreiflich, daß eine damals stark hervvrgetretene Frage jetzt hier eine Fortsetzung fand. Die damals von nationalliberaler Seite für die Steuerreform im Reiche gesetzte Bedingung, daß der preußische Landtag in die Lage gebracht werde, je nach den finanziellen Verhältnissen einige Monatserträge der Einkommen- nnd Klassensteuer zu erlassen, wurde Namens der Partei von dem am 27. November zum ersten Male als ein Hauptredner in Finanzsragen austretenden Laster wieder vorgebracht, jedoch unter Beseitigung der damaligen schrofferen Formen- Es ist jetzt nicht mehr vvn den konstitutionellen Garantien die Rede, sondern von der Einführung beweglicher Steuern. Somit anscheinend von der Frage einer Erweiterung des parlamentarischen Machtgebiets abgetrennt, machte diese Erklärung auf die Kvnservativeu keineu Übeln Eindruck, nur meinte deren Sprecher vvn Zedlitz-Nenkirch, der Spielraum für solche Befuguiß tonne nur auf dem Gebiete der außerordentlichen Ausgaben liegen. Richter, welcher so oft Herrn vou Camphauseu entgegengetreten war, erklärte nnn, dieser wäre ihm gerade jetzt lieber als Hobrecht, welcher zu viele kostbare Versprechungen mache. Er tadelte die bis jetzt doch nur angeblich zu ueunende Absicht der Regierung, Eisenbahnen anzukaufen, den Eisenbahnbau „zu überstürzen, den Transport zu erschweren, in der Zollpolitik eine Reaktion einzuschlagen; er tadelte aber auch die Aufnahme vvn Anleihen und die Einführung indirekter Steuern u>i Reich. Da dnrfte man wohl fragen, was der in Finanzfragen so kenntniß-