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haltlich keine Vorstellungen hervor, er ist insofern passiv, nicht aktiv. Strenger ist der Sensualismns bei David Hume ausgebildet. Er ersetzt die formelle Thätigkeit des Denkens durch die Associationen der ans den Empfindungen eutstehenden Neiheu und Gruppen von Vorstellungen, die nach eignen Gesetzen erfolgen, aus deneu Gewohnheiten sich ergeben, die alles im Leben der Seele erklären sollen. Hierbei wird aber übersehen, daß Gewohnheiten nur dann sich in der Seele bilden können, wenn diese eine innere'Thätigkeit ist.
Die dritte Entivicklungsstnfe vertritt Condillae. Er leitet aus den Sinnen Inhalt und Form des geistigen Lebens ab und beschränkt alle Wissenschaft ans die Kenntniß unsrer Empfindungen. Was darüber hinausgeht, liegt außerhalb unsres Wissens. In Condillae tritt der skeptische Charakter des Empirismus deutlich hervor. Wie ist nun der Materialismus entstanden, der geschichtlich deu Sensualismus abgelöst hat? Uumittelbar ist Letzterer nicht für ihn verantwortlich zu machen, denn er ist unr eine Theorie über den Ur-, sprung der Erkenntniß uud verhält sich deu Fragen gegenüber, welche der Materialismus beautwvrtet, skeptisch. Der Materialismus stammt aus einem Dogmatismus, der willkührliche Auuahmeu zu Glaubenssätzen erhebt. Mittelbar wird aber der Sensualismns für den Materialismus haften müssen, insofern er das geistige Leben nach seinem übersinnlichen Charakter geleugnet und auf eine Sammlung und Ordnung sinnlicher Eindrücke reduzirt hat.
Der neue Gesichtspunkt, den K ant zur Geltung bringt, ist darin zn suchen, daß er Körper und Geist als verschiedene Erscheinungsformen des Dinges an sich angesehen hat, den Körper als die äußere, den Geist als die iuuere. Jener wird von der äußern Wahrnehmung in der Fvrm des Raums, dieser von der innern in der Form der Zeit angeschaut. Das ist der Standort der Kritik der reinen Vernunft. Eine Ergänzung desselben bildet die Kritik der praktischen Vernunft, in welcher der sittlich handelnde Geist sich als Ding an sich erkennt, daraus ergibt sich das Postulat der Freiheit und der Unsterblichkeit der Seele.
Die Vermögen der Seele erkennt Kant als thatsächlich gegeben an; in Uebereinstimmung mit Lessing und Jacobi hat er das Gefühlsvermögeu der Lust und Unlust als drittes zu dem Erkenntniß- und Begehrungsvermögen hinzugefügt.
In der Erkenntniß unterscheidet er als Elemente die Anschauungen aus der Reeeptivität der Sinne nnd die Begriffe aus der Spontaneität des Geistes. Die Letztere begreift in sich den Verstand, der auf die Welt des Endlichen und Bedingten gerichtet ist, und die Vernunft, welche sich ans das Unendliche bezieht.
Das Begehruugsvermögen wird als entweder abhängig von den Gegenständen uud der sie begleitenden Lust oder Unlust oder als von der Freiheit des Willens bestimmt gedacht. Der sittliche Mensch handelt unabhängig von