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Die fünfte Woche des deutschen Reichstags.
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sein, gibt er zu und, ohue auf eine Wendung des Zentrums mehr zu reflek- tiren, fordert er die beiden konservativen und die nationalliberale Partei auf, des Landes, nicht der Regierung wegen fest zu dieser zn halten und so eine geschlossene Mehrheit zu bilden gegen das sechsfach zusammengesetzte Gros der negirenden Parteien. Um dieses Zieles willen gibt der Kanzler bereits Fas­sungen des Gesetzes dran, durch welchedas Schiff umfänglich gezimmert" wird. Er will um jeneu Preis sogar riskiren, daß das Sozialistengesetz vorerst viel­leicht hie und da nicht ausreicht und später ergänzt werden muß.

Hiermit war die Durchführung des Gesetzes nach den Kommissionsbe­schlüssen, trotz ihrer mannichfach bedenklichen Punkte, gesichert. Glauben die Regierungen bei solcher Gestaltung des Entwurfs die Verantwortlichkeit über­nehmen zu können, so ist das auch ein Standpunkt und vorläufig nichts da­wider einzuwenden. Im Uebrigen bezeichneten die Erklärungen Bismarck's einen historischen Akt. Welchen Erfolg seine Anffvrdernng an die drei Parteien haben wird, kann sich frühestens in der nächsten ordentlichen Session des Reichs­tags zeigen. Daß an eine Verschmelzung dieser Parteien vorläufig nicht ge­dacht werden kaun, darin geben wir Bennigsen vollkommen recht, der nach aus­führlicher Darlegung der Gründe seiner veränderten Haltung znm Ausnahme­gesetz den patriotischen Appell des Kanzlers freudig und mit Anerkennung auf­nahm und wir können es ihm nicht verdenken, daß er Angesichts der bedenk­lichen, unter die Deutschkonservativeu aufgenommenen Elemente von vorn her­ein die Zweifel in die Möglichkeit eines auch mir gemeinsamen Vorgehens an­deutete. Die Gelegenheit, ein solches zn persifliren, ließ sich Windthorst bei späterer und ungeeigneter Gelegenheit nicht entgehen. Der Werth von Ben- nigsen's Vortrag bestand übrigens zn nicht geringem Theile in der Art, wie er, im Hinblick auf die Verhältnisse England's, die drohende Gefahr von einer neuen Seite schilderte.

Eine große Geduldsprobe war dem Reichstag am 10. Oktober durch die mehr als zweistündige Rede Hasselmann's beschieden. Gewidmet einer aus­führlichen Entwicklung der sozialdemokratischen bekannten Probleme, war die­selbe von einer Menge boshafter Angriffe auf den Kanzler durchsetzt. Seme Partei schilderte der Agitator als die friedliche, das Eigenthum schützende, die Familie achtende, die in ihrer Weltbeglückung nur durch die fatalemoderne Gesellschaft" gehindert werde. Das Hauptverdienst der Rede war die an ihren Schluß verlegte nahezu direkte Aufforderung zum Aufstand. Es nahm sich eigenthümlich aus, daß gegeu die Erklärung,das durch dieses Gesetz ge­ächtete Volk werde sich mit Gewalt vom Druck der Tyrannei befreieu" nur ein Ordnungsruf zu Gebote stand. Eine wohlthuende Erscheinung nach dieseu Phrasen war Löwe mit seinem Hinweis auf den Schwindel, welchen solche