Beitrag 
Die Pariser Weltausstellung. 10 : die Kunst Oesterreich-Ungarn´s. - Spanien, Griechenland und Holland. - Rußland. - die deutsche Kunst. - Schlußbetrachtung.
Seite
513
Einzelbild herunterladen
 

war. Vorwiegend Thiermaler hat er durch eine jüngst nach dem Orient unter­nommene Reise sein Stoffgebiet erweitert und eine Fülle malerischer Anregungen erfahren, die er in mehreren großen Kompositionen verwerthet hat. So in einer wild bewegten Volksszene aus dem alten JerusalemWir wollen Barrabas!", die dadurch, daß der Maler moderne Typen für sein Bild benutzte, an Leben­digkeit gewonnen hat. Ferner in dem Kampfe eines Löwen mit einem Stier, der mit breitem Pinsel sehr flott und energisch gemalt ist. Während früher die Gemälde auch dieses Malers bei aller Tiefe die altflandrische Glätte zeigten, ist er seit der Reise nach dem Orient in eine neue koloristische Phase getreten, die am ehesten an Rubens erinnert.

An der alten Tradition halten die Genremaler Madou und Willems fest. Ersterer weiß die eigenthümliche Art eines Teniers, eines Brouwer auf moderne Stoffe zn übertragen, während Willems erfolgreich mit Terburg, Mieris und Metzu in der Behandlung von Sammet, Seide und Atlas wetteifert.

Aber sie übertrifft noch bei weitem der in Paris lebende Genremaler Alfred Stevens, der in der pikanten und farbenreichen Schilderung des Pariser Lebens, besonders in den Boudoirszenen selbst unter den Pariser Malern nicht seines Gleichen findet. Keiner weiß die Stoffe so charakteristisch wiederzugeben wie er. Er ist das treueste Spiegelbild der heiteren Eleganz und des raffinirten Luxus, der in den Salons der Pariser Löwinnen herrscht.

Wenn wir erst am Schluß unserer Uebersicht über die Pariser Weltaus­stellung, die bei der ungeheuren Fülle des vorhandenen Stoffes nur die Spitzen und auch diese nur flüchtig berühren konnte, einen Blick auf die deutsche Kunst werfen, so soll damit keine Rangordnung ausgesprochen werden. Mit dem un­behaglichen Gefühl einer sicheren Niederlage ging die deutsche Kunst, ein Opfer der Politik, nach Paris, mit einem neuen Lorbeerkranze kehrt sie zurück. Sie hat einen Sieg errungen, den gerade diejenigen der Welt verkünden mußten, welche die bittersten Pseile des Spottes gegen sie abgesandt hatten.

Man kennt die mißlichen Umstände, unter welchen die deutsche Kunstaus­stellung in letzter Stunde zu Stande gebracht wurde. Nur der Energie und dem Geschick zweier Männer, des Direktors der Berliner Kunstakademie A. v. Werner und des Münchener Bildhauers Gedon, war es zu danken, daß eine Vertretung der deutschen Kunst in Paris überhaupt noch ermöglicht werden konnte. Während Gedon die glänzende Dekoration des deutschen Saales, die alle Welt und am meisten die Pariser überraschte, auf Grund seiner bei der Münchener Kunstgewerbeausstellung gesammelten Erfahrungen schuf, wählte Werner aus den öffentlichen Galerieen und aus Privatsammlungen Gemälde und Skulpturen, 183 an der Zahl, aus, welche ihm am meisten geeignet schienen ein richtiges Bild von dem gegenwärtigen Stande der deutschen Kunst Grenzboten III. 1878. öö