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ostasiatischen Jnselreichs in breitein Strom ans den Kontinent der alten Welt ergießen.
Während das arg zurückgekommene China die Erzengnisse seines Knnst- fleißes in prunkvollen Schränken mit gewaltigen Schnabeldächern, die mit allen Farben des Regenbogens, mit Gold nnd Silber bemalt sind, ausgebreitet hat, haben sich die Japaner mit den schwarzen, über alle Maßen schmucklosen Vitrinen begnügt, welche die französische Ansstellungskommission ihnen zur Verfügung gestellt hat.
China verhält sich zu Japan wie das alte Egypten zum klassischen Griechenland. Dort das unerschütterliche Festhalten an der Tradition, an dem überkommenen Kanon und als Folge davon eine völlige Stagnation, hier gleichfalls die Ehrfurcht vor der Tradition, aber doch eine vollkommen freie Bewegung innerhalb derselben, eine konsequente Aus- nnd Fortbildung innerhalb der überlieferten Prinzipien.
Nichts ist für die Würdigung dieser Thatsache instruktiver als wenu man z. B. japanische Lackarbeiteu des vorigen Jahrhunderts mit den gleichartigen Produkten der Gegenwart vergleicht. Das Lonvre enthält eine interessante Sammlung von japanischem Dosen, Tellern und Kästchen, welche aus dem Besitze der Kvuigiu Marie Autoinette stammeu. Sie zeigen uns, welche kolossaleu Fortschritte die Japaner allein in diesem Zweige ihres Kuustgewerbes in hundert Jahren gemacht haben, obwohl das Fabrikations- und das Ornamentations- prinzip, obwohl Material und Farbe dieselben geblieben sind. Aber man braucht gar nicht einmal so weit zurückzugreifen, um diese Fortschritte zu kon- statiren. Selbst in der kurzen Spanne Zeit, die seit der Wiener Weltansstellung verflossen ist, haben die Japaner unendlich viel gearbeitet und durch ihre glänzende Ausstellung auf dem Marsfelde ganz Europa iu Erstaunen gesetzt.
Man hat geglaubt, daß ihre Berührung mit der europäischen Kultur ihrer heimischen Industrie gefährlich werden würde, man hat sogar schon in Wien Merkmale der Verwilderung und europäischer Geschmacklosigkeit erkennen wollen. Aber diese Gefahr ist nicht eingetreten. Im Gegentheil! Es scheint, als hätte die Bernhruug mit der europäischen Welt, als hätte der Beifall, den die zierlichen und glänzenden Erzeugnisse der japanischen Industrie seit 1867 iu alleu zivilisirten Ländern Europa's gefunden, die Japaner zu immer erhöhten Anstrengungen veranlaßt. Ihre Genialität, ihre Phantasie, ihr dekorativer Geschmack, ihre Technik haben sich zu eiuer Höhe emporgeschwungen, die vordem niemals von ihnen erreicht worden ist.
Mit ihren Leistungen haben sich aber auch ihre Ansprüche gesteigert. Die auffallend billigen Leistungen, mit welchen die Japaner debutirten, gehören bereits der Geschichte au. Ein Paar Bronzeschaalen mit Silberinkrnstation, einen