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Ganz verdrängt wurden die Lotter übrigens zunächst nicht aus Wittenberg. Der Vater und der älteste Sohn sind allerdings vom Jahre 1525 an nicht mehr in Wittenberg nachweisbar. Jedenfalls kehrten sie nach Leipzig zurück und suchten dort die halb und halb abgerissenen Fäden des Muttergeschäftes wieder anzuknüpfen, so lange es noch Zeit war. Michael aber blieb bis 1528 in Wittenberg und wurde neben Luft auch gelegentlich wieder von Luther beschäftigt. Wenigstens druckte er die noch rückständigen Uebersetzungen einiger Propheten. Im Jahre 1529 kehrte aber auch er Wittenberg den Rücken, ging nach Magdeburg und errichtete dort eine Druckerei, die bis zu seinem Tode, 1554 oder 1555, bestanden hat. Im Leipziger Stadtbuch von 1535 erscheint er am 8. Oktober einmal als Stellvertreter seines Vaters an Rathsstelle, um eine Bücherschuld von 100 Gulden, die der Buchführer Hans Nefe aus Groß- glogau noch von 1526 her zu zahlen hat, in Empfang zu nehmen.
Völlig verschwindet der älteste Sohn, Melchior, aus unsern Nachrichten. Möglich, daß er an der Seite des Vaters von 1525 an in Leipzig wieder thätig war, aber die Angaben, die seit dieser Zeit über „Melchior Lotter" noch vorhanden sind, beziehen sich ausnahmslos auf den Vater. Im Jahre 1528 wurden in einer Untersnchungssache sämmtliche Leipziger Buchdrucker vor den Rath gefordert; da erscheint Melchior Lotter an zweiter Stelle nächst dem Senior, seinem damals noch am Leben befindlichen Schwiegervater Kachelofen. Als im März 1533 Dr. August Specht in Leipzig gestorben war, ohne das Sakrament unter einer Gestalt genommen zu haben, und trotzdem, daß, wie man in der Bürgerschaft wußte, ein herzoglicher Befehl im Anzüge war, der für die Anhänger Luther's ein schmachvolles Begräbnis; anordnete, fast „von der halben Stadt" zu Grabe geleitet worden war, mußte der Rath deshalb auf herzoglichen Befehl zahlreiche Personen in Untersuchung ziehen. Das Loos traf auch Melchior Lotter. In dem Verhör, welches am 28. März 1533 stattfand, sagte er aus: „Dr. Specht's Hausfrau habe ihn um Gottes willen in ihrem Elende bitten lassen mitzugehen; das habe er ihr, dieweil Dr. Specht sein sehr guter Freund gewest, nicht zu versagen gewußt, sonderlich dieweil es nie verboten gewest." Als er befragt wurde, wie er's mit dem Genusse des Abendmahls halte, entgegnete er, „er halte es mit dem Beichten nnd Commu- niciren, wie er's vor zwanzig Jahren und viel länger gehalten, das wolle er, so Gott will, auch ferner thun, bis es durch Gott oder ein Concilium geändert werde." Endlich ist noch im Leipziger Stadtbnche vom Jahre 1542 ein Abkommen eingetragen, welches der alte Lotter mit acht Enkeln, den Kindern seiner Tochter Dorothea, an Rathsstelle trifft. Die Tochter war nach dem Tode ihres Mannes, des Oberstadtschreibers Wolf Hennig, zum zweiten Male mit dem Goldschmidt Andreas Weynold verheirathet, und es war zwischen dem