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Reich wieder zu gewinnen, mit seinen Getreuen, den französischen Kugeln in Ajaceio zum Trotz, in das weite Meer dcihinfnhr.
Die letzten Schicksale dieses wunderlichen Sohnes der Gaseogne, einer der eigenthümlichsten Erscheinungen, welche die Revolution uud die Kriegsstürme zu Anfaug unseres Jahrhunderts aus dem Dunkel einer niedrigen Existenz emporgemorfeu, bieten ein in gewissem Grade tragisches Interesse. Durch sein soldatisches Talent und die Gunst des Franzosenkaisers, seines Schwagers, in den Besitz des Königreichs Neapel gelangt, schwankt er, ohne zu festem Entschlüsse zu kommeu, in seinen letzten Lebensjahren zwischen dem abenteuerlichen Plan, die Sache Napoleon's zu verlassen, sich an die Spitze einer nationalen Bewegung in Italien und zugleich in Einvernehmen mit den europäischen Mächten, insbesondere mit Oesterreich und Englaud zu setzen — nnd der magnetischen Gewalt, die der Zcinber des napoleonischen Sternes auf ihn ausübt, auch da noch, wo derselbe nahe am Erlöschen ist. Murat's Schicksal war diese Unentschlossenheit auf der eiuen, sein eitles Hoffen und Vertrauen auf der andern Seite. Anch sein Stern ging unter vor der Erhebung Europa's zur Wiederherstellung legitimer Gewalt. Wie der große Franzosenkaiser, so erlag auch er im Kampfe mit den Prinzipien, welche die vereinigten Mächte Europa's vertraten.
Seit dem Jahre 1808 König von Neapel, und nicht blos durch die Gemeinschaft der Kriegsthaten, sondern auch durch die Bande des Bluts an Napoleon geknüpft, begann in Joachim Murat der erste Gedanke an Abfall von seinem kaiserlichen Schwager sich zu regeu, als diesem im Jahre 1811 ein Erbe, der „König von Rom" geboren war. Er befürchtete, Napoleon werde ihn nun eines Tages hintenausetzen und seines Reiches berauben, nnd auch die Italiener überkam seitdem die Besorgniß vor Vereinigung ihres Landes mit dem französischen Kaiserreich. Sie schloffen sich näher, wie durch das gemeinsame Interesse bestimmt, an Joachim an, dessen Mißtranen wuchs und genährt ward durch seiue zahlreichen Neider uud Feinde in Paris, deren rege Thätigkeit daran arbeitete, die Zuneigung des Kaisers zu ihm erkalten zn lassen. Joachim erfuhr Kränkungen aller Art in Paris, in seiner eigenen Hauptstadt. Hier, in Neapel, kam er sich vor, als stehe er unter Vormundschaft oder Fürsprache französischer Generale. Sogar vor dem Versuch, die Gemahlin Karolina, Schwester Napoleon's, dem König abspünstig zu machen, schenten die Feinde sich nicht. Und vielleicht wäre es fchon 1811 zu einem Bruch zwischen Joachim und dem französischen Kaiser gekommen, wenn nicht der Gang der großen geschichtlichen Ereignisse, der Ausbrnch des russischen Kriegs von 1812, eingewirkt hätte. Napoleon bedürfte dringend seines Schwagers, und dieser folgte dem Rufe als Oberbefehlshaber der gesammten Reiterei. Aber voller