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es, daß Eroberung und Kolonisation schon in sehr früher Zeit große Verbreitung auf dem Boden der Apeuninenhalbinsel gewannen und die ursprüngliche Bevölkerung bis auf geringe, kaum erkennbare Reste verdrängten, vermischten und aufsogen.
Die ältesten Spuren deuten auf Bewohner keltischen Ursprungs; dahin zählen die Ligurer, die Sicnler, Sicaner und vielleicht auch die Umbrer. Altpelasgische, den Griechen verwandte Stämme, kühne Seefahrer und Städteerbauer, siedelten sich an den Küsten des Westmeeres an, das von ihnen den Namen des Tyrrhenischen erhielt, und verstärkt durch Einwanderung aus dem nordischen Nätien, breiteten diese Etrnsker ihre Herrschaft vom Tiber bis an den Fuß der Alpen aus. — Südlich und südöstlich von ihnen hausten die, wohl über das adriatische Meer eingewanderten, den äolischen Griechen nahe stehenden Ausvnier Mittelitaliens: Latiner, Scibiner, Samniter u. A., welche in der Folge vorzugsweise als eigentliche Jtaler betrachtet und bezeichnet werden. Den Süden aber erfüllt das bunteste Völkergemisch. Da sitzen in Campanien pelasgische Tyrrhener, die Brüder der Etrusker, daneben im Kyme ionische Griechen; das ganze Sndgebiet steht unter der Herrschaft hellenischer Koloniestädte, zum Theil achäischen Ursprungs wie Sybaris und Kroton, zum Theil dorischer Abstammung wie Tarent; auf Sizilien endlich stoßen die Dorer mit den Phoenikern zusammen; jenen fällt der Osten, diesen der Westen zn, und von dem alten sikulischen Stammvolke bleibt fast nur der Name übrig. ^)
Es ist sehr merkwürdig, daß nicht diese üppigen Gestade Groß-Griechen- lands der Ausgangspunkt der weltgeschichtlichen Machtstellung Italiens wnrden, sondern die Küstengcme am Fuße der sabinischen und aequischen Apenninen: das Gebiet von Latinm (d. h. Plattland); und wieder sind es nicht die alten Kultursitze dieser Gegend: Lavininm, Alba, Ardea und Tibur, an die sich jene große Entwickelung knüpft, sondern ein Städtchen, das aus der Vereinigung einer altlatinischen Ansiedlnng auf dem Palatinischen Hügel mit einem sabinischen Nachbarorte auf dem Quirinal und einer vielleicht etruskischen Beimischung hervorging: Rom. — Hegel hat darauf hingewiesen, daß Rom nicht eigentlich das natürliche Centrum der Halbinsel sei, höchstens das der Westküste. Seine zwingende Macht liege nicht in der dominirenden Lage, sondern in seiner Energie, in jenem Momente der Gewaltsamkeit, das allem römischen Wesen und Wirken seinen Stempel aufpräge. Das Werkzeug dieses großartigsten Egoismus der Weltgeschichte, das Werkzeug der kapitolinischen Staatskunst war aber das römische Heer.
*) Nach G. A. v. Klvdcu: Handbuch der Erdkunde, 3. Aufl. 187S uud uach Kiepcrt's Erläuterungen zu seinem Atlas der antikeu Welt. 1843.