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Gymnasialklassen darin häufig eine wahrhaft erschreckende Unwissenheit bekunden, und leider ist sie nicht unberechtigt. Doch dies scheint uns weniger an der Organisation des Unterrichts selbst als an seiner Handhabung zn liegen. Die besondern Stunden für Geographie pflegen allerdings mit Obertertia bezüglich Untersekunda abzuschließen; wird aber wirklich die Vorschrift der Nepetitivn in den obern Klassen ernst genommen, wie sie es soll, und nimmt der Lehrer bei der Darstellung historischer Ereignisse Gelegenheit, Einzelnes nicht nnr zu wiederholen, sondern weiter führend zu ergänzen, wozu er hundertfach sich aufgefordert fühlen muß, so muß und wird jene alte Klage verschwinden. Die mathematisch-physikalische Geographie aber wird sich leicht an den mathematischphysikalischen Unterricht der obersten Stusen anschließen und erst dann mit wirklichem Nutzen behandeln lassen.
Sehr lebhafte Klage führt Du Bois-Reymond über die mangelhaften Ergebnisse des Unterrichts im Deutschen für die Handhabnng der Muttersprache. Wir gestehen, daß diese uns ebenso überraschend als unbegreiflich ist. Gewiß hat er an den mit ihm in Berührnng kommenden angehenden Medizinern schlechte Erfahrungen gemacht, aber gegen eine Verallgemeinerung derselben muß man sich doch entschieden verwahren. Uns scheint vielmehr der heutige Unterricht im Deutschen, befindet er sich anders in rechten Händen, wenig zu wünschen übrig zn lassen. Die Regulative schon geben ziemlich eingehende Vorschriften, und werden die ausführlichen Anweisungen, wie sie z. B. Laas in seinem vortrefflichen Buche über deu deutschen Unterricht entwickelt, nur einigermaßen benützt, so kann füglich von einer Vernachlässigung der Muttersprache, deren Ausbildung ja auch durch jede andere Stunde unterstützt werden muß, im Ernste nicht mehr die Rede sein. Freilich als Sinemre darf den deutschen Unterricht Niemand betrachten.
Eine Spezialfrage betrifft sodann die Einfügung des Mittelhochdeutschen in den Lehrplcm der höheren Schulen. Sie ist von verschiedenen Seiten in nenerer Zeit wieder verneint worden. Wir glauben mit Unrecht. Das Mittelhochdeutsche wird sich so wie so auf die IIn beschränken und also wahrhaftig keinen übermäßigen Ranm für sich in Anspruch nehmen; es wird und soll nicht grammatisch, sondern nur zum Zweck der Lektüre betrieben werden und diese selbst sich im Ganzen nur auf Nibelungenlied und Walther richten. Und das Zugeständniß wird man uns machen, daß die Einführuug in die Vergangenheit der Muttersprache schon aus nationalein Interesse im höchsten Maße wünschenswert!) ist, und daß hier, in der mittelhochdeutschen Literatur, eiue Uebersetznng nicht entfernt das Original zu ersetzen vermag.
Znm Schlüsse bleibt noch die heikle Frage des Religionsunterrichts in den oberen Klassen. Dn Bois-Neymvnd fordert geradezu seine Beseitigung