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Funktionen des wachen Seelenlebens; sie sind nur eine andere mvdifizirte Aeußerung desselben. Wir haben die völlige Einheit der menschlichen Seele fest zu halten. Zweitens: Die Träume unterscheiden sich von den Funktionen des wachen Seelenlebens durch die während des Schlafes eingetretene Aufhebung des Selbstbewußtseins. Wachen und Schlafen der Seele sind Zustände, welche durch die feinsten, nnmerklichsten Gradationen mit einander kontinuirlich verbunden, sich einander niemals völlig auslösen, sondern theilweise in einander hineinragen. Drittens: Das charakteristische Moment des Traumes ist vorwiegend abhängig von den Funktionen des Gemüths; das Gemüth schläft nie und bildet, alternirend mit dein Selbstbewußtsein, das ununterbrochene, einheitliche Leben der Seele bis zum Tode, als deren absvlntem Schlaf, aus dem es kein irdisches Erwachen giebt."
Den meisten Lösungen der Probleme des Schlaf- nnd Traumlebens, die der Verfasser giebt, stimmen wir bei; aber in einem Punkte müssen wir widersprechen. Spitta behauptet: das Gemüth schläft nie, ermüdet nie, wacht immer. Er selbst aber widerlegt dieses Urtheil, wenn er erklärt (S. 148), daß im Traum eine völlige Abwesenheit des moralischen Bewußtseins eintrete, die moralische Werthschätzung aufhöre. Das wäre unmöglich, wenn das Gemüth wachte. Denn die Gefühle, die dasselbe in sich schließt, sind doch zum Theil wenigstens gewiß moralischer Natur. Der Verfasser hat hier die volle Klarheit uoch nicht gewonnen. Es zeigt sich dies besonders in den sich aufhebenden Aeußerungen desselben über das Gewissen. Wenn er den Beweis zn führen sucht, daß das Gemüth nie schläft, so erklärt er: „Das Gewissen gehört eben ganz wesentlich zum Gemüth und nicht zum Selbstbewußtsein" (S. 72), und wenn er erhärten will, daß der Träumende nicht für den Inhalt seiner Träume moralisch verantwortlich gemacht werden könne, so spricht er sich dahin aus: „Es leuchtet demnach ein, daß das Gewissen und die ihm gemäße Beurtheilnng aller Lebensverhältnisse, die Stimme des inneren Richters, an das Selbstbewußtsein gebunden, mit ihm steht und fällt, also während des Schlafes aufgehoben ist." (S. 141). Dieser Tadel hindert uns aber nicht, Spitta's Arbeit warm zn empfehlen. Wir hoffen, ihn noch öfter auf psychologischem Gebiet literarisch thätig zu seheu.
Gemischte Empfindungen hat in uus die Schrift Hoffmanns erregt. Wir hegen aufrichtige Verehrung gegen den unermüdlichen Kämpen für die Ideen Franz von Baader's, den verdienten Herausgeber seiner Werke. Wir billigen durchaus, daß er nicht aufhört, auf die reichen Schätze tiefer Erkenntnisse hin zu weisen, welche die Theosophie seines Meisters in sich schließt; trotzdem haben wir ernste Bedenken, ob die vorliegende Schrift geeignet ist, die von ihn: in's Auge gefaßten Zwecke zu fördern. Dieselbe enthält fast ans-