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Die erste "Geschichte der antiken Malerei".
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den allbekannten Künstleranekdoten gehört, hat gehört, daß einmal ein altert Maler Weintrauben so natürlich gemalt habe, daß die Vogel darnach geflogen kamen, um davon zu naschen, ein andrer Künstler einen Vorhang, der so täuschend wie ein wirklicher Vorhang aussah, daß selbst ein Maler dadurch irregeführt worden sei und verlangt habe, den Vorhang wegzuziehen, damit er das dahinter befindliche Bild sehen könne; vielleicht hat er auch das noch in der Erinnerung, daß das berühmte geflügelte Wort:Schuster, bleib' bei deinem Leisten" zuerst aus dem Munde eines Malers gekommen sei, der wirk­lich einen Schuster damit zurechtwies, welcher sich herausgenommen hatte, an einem Bilde des Malers etwas zu bemäkeln, was er gar nicht verstand. Aber die Kenntnisse versagen sofort, wenn man nach den Namen derer fragt, von denen diese Geschichtchen erzählt werden. Apelles? Nun ja, von dem hat wohl jeder einmal gehört, und auf sein Konto werden denn anch ge­wöhnlich diese Anekdötchen alle gesetzt. Kennt jemand außerdem etwa noch den Zeuxis, erinnert er sich aus Goethe's schöner ElegieDer neue Pausias und sein Blumenmädchen" und aus dem kleinen Vorwort, das der Dichter dazu ge­schrieben, daß einmal in der Stadt Sikyon ein geschickter Blumenmaler Namens Pausias gelebt hat, so darf das schon als eine sehr erfreuliche Wissenschaft von der alten Malerei gelten. Da sind die alten Bildhauer besser drau. Zahlreiche plastische Werke des Alterthums sind erhalten, die zu berühmten Bildhauern in nähere oder entferntere Beziehung gebracht werden. Wer die Parthenon- Skulpturen gesehen, der weiß auch von Phidias etwas, beim Diskuswerfer hat er sich den Namen des Myron eingeprägt, die Juno Ludovist bringt er, wenn, auch verkehrter Weise, mit dem Pvlyklet zusammen, beim Satyr mit der Flöte fällt ihm Praxiteles ein, bei einem Portraitkopfe Alexander's des Großen erinnert er sich an Lysipp, denHofbildhauer" des makedonischen Königs. Und erst Päonios! Beneidenswerthes Loos! Kann ein Künstler des Alterthums populärer werden, als Päonios es geworden, dessen Siegesgöttin, jämmerlich verstümmelt, aus dem Schutt von Olympia herausgegraben worden ist und dessen Name nun zu einer Größe aufgebauscht wird, der Geldsumme ent­sprechend, die die deutsche Regierung an die olympischen Ausgrabungen gewendet hat? Päonios in seinem Bildungsverein hat der strebsame Kaufmannsdiener seinen Namen preisen hören, auf jeder Bierbank hat ihn der Philister aus der Zeitung zusammenbuchstabirt. Was weiß dagegen der gebildete Laie von den großen Malern des Alterthums? Pvlygnot, Parrhasios, Timanthes, Protogenes, Timomachos es sind ihm lauter völlig unbekannte Klänge.

Daß durch eine gute, gemeinverständliche Darstellung der Geschichte der alten Malerei eine empfindliche Lücke in unserer kunstwissenschaftlichen Literatur ausgefüllt werden würde, unterliegt wohl nach dem Gesagten keinem Zweifel.