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Der Gesetzentwurf gegen die Sozialdemokratie.
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ner Gegner vonAusnahmegesetzen" wie Ludwig Bamberger verkennt nicht*) daß wir in den kommenden Jahren noch ein weiteres entschiedenes Anwachsen der Soeialisten an Zahl, Einfluß, Preßorganen, Abgeordneten zu gewärtigen habeu und damit natürlich auch ihres gesetzlosen Sinnes und Treibens wie bisher. Das muthmaßliche Anwachsen der Partei im Reichstage schätzt Ludwig Bamberger sogar aus eine Zahl, welche der socialistischen Fraction ein entscheidendes Gewicht bei den bedeutsamsten Abstimmungen sichern würde. Wir können mit der größten Bestimmtheit voraussehen, daß diese Entscheidung stets zum Verderbeu unsres Staates abgegeben werden würde. Daß die Unterwühlung unserer ge­sellschaftlichen Ordnung, von Zucht, Sitte, Glaubeu, Vaterlandsliebe, kurz von Allem was uns ernst und heilig ist, bei dem ferneren Anwachsen der sozialen Partei in geometrischer Progression wachsen muß, verhehlt Bamberger gleich­falls nicht. Unter diesen Umständen darf meines Erachtens kein nationaler Mann Bedenken tragen, sich im Prinzip dem Vorgehen der Regierung anzu­schließen. Die Lage entspricht jener, in welcher das alte Rom das ViäsWt eoQLv.1ss aussprach. Hier wird jedoch nur ein Gesetz verlangt, welches nach drei Jahren wieder aufgehoben, in jedem einzelnen Falle seiner Anwendung vom Reichstag kontrvlirt werden kann. Warum will man den Versuch ablehuen?

Mit bemerkenswerther Oberflächlichkeit entnehmen die Einen ihre Warnun­gen der französischen Geschichte. Die schlimmsten Ausbrüche sollen dort die Folgen ähnlich strenger Gesetze gewesen sein. Das ist, man erlaube uns das zn sagen, baarer Unsinn. Die schlimmsten Ausbrüche der Verschwörung und Revolution verdankte Frankreich nicht der Strenge, sondern der Nachsicht. Der heillosen Gutmnthigkeit gegen die Julikämpfer entsprangen die Greuelsceneu der Rue Transnonain, der Milde gegen den rothen Pöbel der Februartage die Junischlachten des Jahres 1848, der Verhätschelung der Verschwörer von Velle- uille der blutige Feldzug gegen die Commune. Wer will die Verantwortlich­keit übernehmen, daß bei uns ähnliche Milde zu ähnlichen Folgen führe? Dann, sagt man: dürfe man auch keine Märtyrer schaffen! Man muß die deutschen Sozialisten noch nie vor Gericht gesehen haben, um von diesem Ge­setz für sie die Gloriole des Märtyrerthums zu erwarten. Das erste, was die Führer thun werden, wird sein, ihre innerste Ueberzeugung nebst ihrer werthen Person ins Ausland zu retten. Dort thront ja ohnehin ihr Papst. Und dann wird die LoudonerSchwefelbande" noch einmal wühlen und schimpfen wie in den Fünfziger Jahren aber unser Vaterland wird Ruhe haben vor ihren Jüngern. Wenn endlich auf der Ablehnung der Kautschukparagraphen bei der 'Strafgesetzbuchnovelle exemplifizirt wird, so finden wir nicht die geringste Gemeinschaft zwischen jenein und dem vorliegenden Gesetzentwurf. Dort ein Entwurf, der jede freie Aeußerung hätte treffen können, unter der die ganze Gesellschaft gleichmäßig leiden mußte, hier ein Akt der Nothwehr gegen eine destruktive, vaterlandslose Partei.

Wenn der Gesetzentwurf abgelehnt und von der Regierung an die Wähler appellirt werden sollte, so würden diese, sürchten wir, eine Antwort ertheilen, welche der Ablehnung der liberalen Parteien, diesen Parteien selbst, sehr ver- hängnißvoll werden dürfte! Hans Blum.

') Der Sozialismus. Leipzig, F. A. Brockhaus. 2. Aufl. 1S73.

Verantwortlicher Redakteur: vr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. - Druck von Hüthcl Herrn»»«« in Leipzig.