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Deutsches und grichiesches Mittelalter.
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Vorschriften ab, die in der That mit dem Polytheismus einen inneren Zu­sammenhang nicht mehr haben; die sieben Weisen bewegen sich vor allem in dieser Richtung. Noch nimmt, wie im christlichen Mittelalter, in der Dichtung das Epos einen breiten Raum ein, aber schon wagt Archilochos höchst persön­liche Dinge vor ganz Hellas zu verhandeln, und an den glänzenden Höfen der Tyrannen von Korintb/ und Samos singen Arion und Jbykos. Die Gebundenheit der poetischen Form genügt nicht mehr der nüchternen, reflekti- renden Betrachtung der Dinge; die ionischen Logographen werden die ersten Prosaisten Griechenlands. Auch der griechische Künstler wagt es die Natur anzusehen, nach ihr so gebunden auch die Nachahmung noch scheinen mag seine plastischen Gestalten und seine Reliefs zu formen, und als ureigen grie­chisch wächst die dorische Baukunst empor, alle Städte bald mit ihren mächtigen Tempeln erfüllend.

Diesen ganzen machtvollen Ausschwung hatte die griechische Aristokratie, welche am Beginne dieser Periode ihre Herrschaft auf den Trümmern des Königthums gegründet, durch ihre Kolonisationszüge wesentlich vorbereitet, so gut wie der mittelalterliche Adel die Kreuzzüge leitete. Aber wie infolge dieser das Bürgerthum sich erhob, so erwacht auch in Griechenland der <?Mv? zum Bewußtsein seiner Stärke. Leidenschaftlich, haßerfüllt treffen allerorten die Parteien aufeinander, rasch wechseln Sieg und Niederlage, und wie im späten mittelalterlichen Italien sich die Medici und della Scala, auf die Massen ge­stützt, ihre Monarchien gründeten, so erhebt sich auf griechischem Boden fast überall die Tyrcmuis uud zeitigt, vertreten von glänzenden Persönlichkeiten, eine herrliche Blüthe der Kultur. Freilich erliegt sie fast überall der aristo­kratischen Reaktion, die Sparta unterstützt, aber was sie geschaffen, das vergeht nicht mit ihr.

Wenn aber die neue Zeit alle Theile der griechischen Welt unter sich und mit dem Auslande in immer regeren Kontakt gebracht und tausend Fäden ge­woben hatte von Stadt zu Stadt, zur Erreichung der nationalen Einheit ge­nügte das Alles bei weitem nicht. Nicht einmal zn einer in dem Maße etwa wie das Mittelhochdeutsche allgemeinen Schriftsprache haben es die Griechen damals gebracht; ihre Dichter schreiben ionisch, dorisch, äolisch, nicht griechisch. Auf Politischem Felde giebt es nur Ansätze zur Einheit zu verzeichnen, vor allem den peloponuesischen Bund, den ersten, der nicht mehr auf religiöser Grundlage beruht.

Erst die gemeinsame Gefahr des Perserkrieges bringt die Idee der Natio­nalität zum Durchbruche, und nicht zufällig ist es, daß der fortgeschrittenste Staat der Hellenen, Athen, zn ihrem Träger wird. Sie steht am höchsten auf dem Schlachtfelde von Platää, aber zu schroff ist schon die Eigenart der