Z)ie Berliner Walerschule.
Von Adolf Rosenberg. I.
Seit der Befreiung der Kunst von den Fesseln der byzantinischen Schablone hat es zu allen Zeiten und in allen Ländern, in denen sich eine selbstständige Kunstübung verfolgen läßt, machtvoll begabte Individuen gegeben, die einer ganzen Epoche künstlerischen Schaffens gewissermaßen den Stempel ihres Geistes aufprägten. Jüngere, gleichstrebende Geister wurden unwiderstehlich in die Bahu dieser glänzenden Gestirne gezogen nnd hielten für eine Zeit lang das heilige Feuer lebendig, das jene erhellte, bis ein ueues Gestirn erschien und einer neuen Kunstepoche Licht und Leben verlieh. Je naiver die Kunst schuf, desto naiver gestaltete sich auch das Verhältniß des Schülers zum Meister. Wenn man von der Schule der Pisani, der großen auf der klassischen Tradition fußendeu Bildhauer des 13. Jahrhunderts, spricht, darf man sich noch keine Vorstellung der Art inachen, wie sie das 16. Jahrhundert in seiner zweiten Hälfte mit dem Begriffe der „Tirols," verband. Eine Mittheilung des handwerklichen Vermögens, die Aueignuug einer gewissen, mehr oder minder feststehenden Formensprache, gewisse Grundregeln der Komposition — über ein weiteres hinaus wird die Unterweisung nicht gegangen sein, welche die jüngeren Bildhauer in der Schule der Pisani erfuhren. Von einer Schule im modernen Sinne kcmu mau erst sprechen, als Männer von so energischem, künstlerischem Charakter wie Dvnatello austraten, also mit dem Beginn der Renaissance. Im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert florirten die Maler- und Bildhauer- schuleu, die sich in engeren oder weiteren Kreisen um die Fürsteu der Kunst schlössen. So wirkten die Bellinis unmittelbar und mittelbar — durch persönliche Unterweisung und durch ihre Bilder, aus denen die ferner stehenden
schöpften — auf jene illustre Generation venezianischer Maler, die in dem Grenzbotm II. 1378. 11