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erste Versuch in Deutschland, ein böses Weib interessant zu machen; und Mellefout, der eigenthümlich gemischte Charakter, der gutmüthige Wüstling, der kraftlos Leidenschaftliche; der Mann, dem es unheimlich ist, sich sittlich zn binden und der daher der Sklave jedes Ungefährs wird. Besonders bezeichnend für den Dichter selbst ist ein Monolog Mellefont's, der nicht etwa mit zwingender Nothwendigkeit aus der Handlung hervorgeht. „Was für ein Räthsel bin ich mir selbst! — Ich liebe den Engel. Ja gewiß, ich lieb' ihn. Ich weiß, ich wollte tausend Leben für sie aufopfern, für sie, die mir ihre Tugend aufgeopfert hat. Ich wollt' es; jetzt gleich ohne Anstand wollt' ich es. — Und doch, doch — Ich erschrecke, mir es selbst zu sagen — Und doch — Wie soll ich es begreifen? — Und doch fürchte ich mich vor dem Augenblick, der sie auf ewig zu der meinigeu machen wird. — Es ist nun nicht zn vermeiden. Die Verzögerung hat mir schon schmerzhaste Vorwürfe genug zugezogen. So schmerzhaft sie aber waren, so waren sie mir doch erträglicher als der Gedanke, Zeitlebens gefesselt zu sein."
Das Stück that auf der Bühne eine große Wirkung, so in Leipzig, Hamburg und Berlin, wo Nieolai bei der Aufführung helle Thränen vergoß. „Wir haben", schreibt Michaelis, „nicht leicht etwas so Rührendes gelesen als dies Trauerspiel, so nns mit Schauder und Vergnügen erfüllt. Die Sittenlehre, daß der, fo selbst Ursache hat, Vergebung zn wünschen, vergeben soll, ist unvermerkt angebracht, und in einem sehr starken Licht da, wo man sie nicht erwartete, vorgestellt."
Ein wenig schlug das doch immer in die Tendenz der Gellert'schen Moral.
Me neueren assyrischen Ausgrabungen.
ii.
Nach der Besprechung der Keilsprache, der Schwierigkeit und Gefahr ihrer Entzifferungsversuche, also nach formellen Präliminarien wenden wir uns nun in aller Kürze der fachlichen Frage nach den Resultaten der jungen Wissenschaft zu.
In dieser Beziehung sind vor allen Dingen die Ergebnisse auf religionsgeschichtlichem Gebiete in den Kreis unserer Betrachtung zn ziehen. Das System des altassyrischen Polytheismus liegt jetzt klar vor unseren Augen; die sporadischen Andeutungen über das Wesen und die Bedentnng dieser Gott-