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Die Mpjwaljlen der Vergangenheit.
Von Dr. R. Schoener in Rom. II.
Bonghi theilt die Geschichte der Konklave in den sechs letzten Jahrhunderten nach den im Kardinalskollegium vorherrschenden auf den Geist der Zeit gegründeten Einflüssen in sechs Perioden ein. Die erste reicht von Gregor X. bis auf Paul II., d. h. von 1271—1471 und ist gekennzeichnet, wie wir gesehen haben, theils durch deu Kampf der doppelten Kardinalskollegien gegeneinander und durch unmittelbaren Einfluß eines nicht nichtitalienischen Souveräns, theils durch die Bestrebungen zur Erlangung einer sicheren Wahlform und zur Befreiung der Wahl und des Gewählten von jedem weltlichen Einfluß.
Mit Sixtus IV. 1471 beginnt die zweite Periode. Dieselbe ist charak- terisirt durch das Vorwalten politischer Tendenzen sowohl in den Inhabern des Heiligen Stuhles als in den Wahlen, welche insofern auch von partikulareu und Familien-Interessen durchkreuzt werden, als die Päpste ihre Anverwandten auf die Fürstenthrone Italiens zu bringen, oder neue für sie zu schaffen suchen, ein Vorgehen, welches den wirksameren päpstlichen Einfluß auf die europäische Politik anbahnte, der bis auf Sixtus dauerte. Neben den alten römischen Familien der Orsini, Colonua, Gaetani glänzen die neueren der Cibo, Rovere, Borgia, Medici, die alle ihre Vertreter im Kardinalskollegium haben. Dort arbeitet und wirkt Jeder auf eigene Faust für seine Familieninteressen, und die Kirchenoberhäupter, welche aus den acht Konklaven dieser Periode hervorgegangen sind, haben zumeist mehr an ihr Geschlecht als an die Kirche gedacht.
Alexander VI., der Kardinal Borgia, der lasterhafte Vater der noch lasterhafteren Sprößlinge Caesar und Lucrezia, hatte den Stuhl Petri durch einen schmachvollen Geldhandel erkauft (1492). — Julius II. nahm daraus Veran^ lassuug 1506 eine Bulle zu erlassen, welche in den heftigsten und verdammend- sten Ausdrücken eine ähnliche Ernennung für ungiltig erklärte. Ein durch Simonie befleckter Papst solle, auch wenn er einstimmig gewählt sei, nie anerkannt, als ein Ketzerfürst betrachtet und als aller Ehren und Würdigung beraubt angesehen werden. Weder die Krönung und Anbetung noch die Unterwerfung der Kardinäle und die Dauer der Regierung solle ihn legitimiren. Bischöfe, Klerus und Volk sollten ihm den Gehorsam versagen. — Es war wieder eine gut gemeinte uud niit allem möglichen Ernst erlassene Verordnung. Greuzbotm 1. 1878. 49