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sein; kraft des Genius, den er in seiner unsterblichen Seele wie eine fremde höhere Kraft empfindet, soll er schaffen. Echte Poesie muß aus dem Innersten des Herzens hervorgehn. Sie ist nicht ein Geschäft für Mußestunden, sie soll das Herz gauz in Anspruch nehmen und ausfüllen: sie soll die Ideale des Lebens versinnlichen.
Der Dichter des „Messias" Klop stock (24 I.) Sohn eines Advokaten in Quedlinburg, studirte gemeinsam mit seinem Vetter Schmidt aus Lcmgen- salza seit zwei Jahren in Leipzig, nachdem er sich in Schulpforta eine gründliche Schulbildung angeeignet. Er war in den Kreis der Schriftsteller aufgenommen, von dem die „Bremer Beiträge" herausgegeben wurden: Gärtner, Cramer, Schlegel, Rabener, Gellert, Ebert u. s. w. In diesem Kreise wnrde das Gefühl der Freundschaft sehr lebhaft kultivirt, das man damals überhaupt sehr ideal aufzufassen anfing: der Hallische Kreis, Gleim, Lange, Kleist u. f. w.; ferner Winkelmann, und nicht weniger die Franzosen: Rousseau, Diderot u. s. w. standen darin mit jenen Schriftstellern auf gleichem Boden.
Klop stock suchte dem Idealismus sofort einen kräftigen Schwung zu geben, und ihn zur Religion in Beziehung zu setzen. Dazu mußte er sich erst künstlich stimmen, und nicht selten schlägt ihm die Stimme über. Eins seiner ersten Gedichte war eine Ode zur Verherrlichung seiner Freunde. Freilich gewinnen sie darin nicht viel Physiognomie, was überhaupt nicht des Dichters Stärke war; nur von dem berauschten Ebert, der dithyrambisch seinen Hagedorn feiert, sieht man etwas mehr: „gieb mir den Becher, den vollen!" rnft ihm der Dichter zu, „daß ich froh fei wie du!" Auch nach einer Freundin, die ihn einst lieben wird, sieht er sich um; sie zu nennen, sucht er nach einem Namen unter den berühmten Heroinen der Liebesdichter, z. B. Laura, Daphnis; er bleibt endlich bei Fanny stehn. „Du fehlst mir; bang und weinend irr' ich und suche Dich!" Dem Dichter ist, „wenn ihm das Glück, was es so selten thut, eine denkende Freundin giebt, jede Zähre von ihr, die ihr sein Lied entlockt, künftiger Zähren Verkünderin." Die Thräne wird in das Heiligthnm der Poesie aufgenommen, die pietistischen Stimmungen suchen einen klassischen Tonfall.
In einer Elegie an Ebert schildert Klop stock die Empfindung, die ihn ergreift, wenn er sich vorstellt, alle seine Freunde sterben vor ihm, zuletzt auch Ebert, und er stehe allein. „Weggehn muß ich und weinen! vielleicht daß die lindernde Thräne meinen Gram mir verweint." Aber je lebhafter er sich die Sache ausmalt, je schwerer wird ihm um's Herz. „Finstrer Gedanke, laß ab, in die Seele zu donnern! wie die Ewigkeit ernst, furchtbar wie das Gericht! Die verstummende Seele faßt dich, Gedanke nicht mehr." — So