Jor dreiundzwanzig Jahren.
(Vergleichende Erinnerungen an die Belagerung von Sebastopol).
Wer vor dreiundzwanzig Jahren schon ein eifriger Zeitnngsleser war, der wird sich erinnern, wie gerade um die jetzige Zeit, gegen Schluß des Jahres 1854, alle Nachrichten vom Kriegsschauplätze im fernen Osten begierig aufgenommen wurden. Wie heute Plewna, so war damals Sebastopol in Aller Munde. Am 14 September waren die damaligen Verbündeten, Franzosen, Engländer und Türken, an den unwirthlichen Gestaden der tanrischen Halbinsel gelandet; am 20. schlugen sie die Russen an der Alma und erzwängen sich den Weg nach der südlich von Sebastopol gelegenen Hochebene. In dieser Stellung, gegen etwaige Angriffe einer Entsatzarmee geschützt und in Verbindung mit ihren Flotten, hofften die Verbündeten auf eine baldige Eroberung der vor ihnen liegenden Festung. Die Südfront derselben war damals nnr schwach befestigt und ein rascher Sturm wäre, wie die Russen später selbst eingestanden, vielleicht geglückt. Die tödtliche Krankheit des Kommandirenden der Franzosen, des Marschalls St. Arnaud, brachte jedoch Stockung in die Unternehmungen und ebenso wurde auch durch die späteren, wenn auch mißlungenen Angriffe der Russen, — Valaklava und Jnkerman —, die Entscheiduug verzögert. Als dann aber in den Novembertagen der Regen in Strömen herniedergoß und die ganze Gegend unter Wasser setzte, als die in den Reihen der Verbündeten durch Kugel und Krankheit gerissenen Lücken nicht so schnell wieder ausgefüllt werden konnten, wahrend sich die Feinde immer mehr verstärkten, da konnte von einem Sturm uicht mehr die Rede sein. Das „Zuspät", das so häufig in der Politik, wie im Kriege eine verhängnißvolle Rolle spielt, machte sich auch hier geltend.
In ähnlicher Lage wie vor dreiundzwanzig Jahren die Russen in Sebastopol, auf einer Seite eingeschlossen, auf der anderen noch in freier Verbindung mit dem Hinterlande, befanden sich noch vor wenig Wochen die Türken in dem Winkel zwischen Wid und Krimitza. Nachdem ihnen jede Verbindung sowohl Grenzboten IV. 1S77.