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hätte geschehen können. Der Nachweis, den Reusch giebt, ist völlig überzeugend. Ebenso erweckt unsere Sympathie die sinnige Ausdeutung der Sechszahl! Es sind sechs Schöpfungsgedanken, die in dem Bilde von Tagen uns dargestellt werden. Aber, köunte man einwerfen, sind es in der That nur sechs schöpferische Ideen, vou deneu uns der biblische Bericht Kunde giebt? Das scheint durchaus nicht der Fall zu sein. Will man nümlich die Thierwelt unter einen Gesichtspunkt stellen, dann fällt ein Glied aus. Will man dies nicht thun, so treten mehr Glieder hinzu, denn dann müssen mindestens die Lnstthiere sowie die Wasserthiere, beide als Verkörperungen besonderer Schöpfungsgedcmken angesehen werdeu, ja es wäre angethau, auch unter den Landthieren wenigstens das Gewürm als eine eigenthümliche Gestaltung des Schöpfungsgedankens auszuscheiden.
Jedoch dieser Eiuwnrf argumentirt vom Standpunkt des Physiologen und Anatomen aus, aber stellt sich nicht auf den hier eingenommenen Boden einer unmittelbaren Natnranschaunng, welche Luft- und Wasferthiere, weil die einen wie die auderu nicht auf dem festeu Lande leben, in einem Bilde zusammenschaut. Uud für diese ursprüngliche Natnrbetrachtung grade, die auch wir, wenn wir nicht in der Arbeit wissenschaftlicher Abstraktion uns bewegen, festhalten, ist der Schvpfungsbericht gegeben. Aber ist nicht Reusch dem Kanon, daß nur der religiös-sittliche Gehalt, nicht das naturwissenschaftliche Material offenbarenden Charakter habe, durch diese Werthschätzung der Sechszahl ungetreu geworden? Hat deun diese Zahl eine religiöse oder sittliche Bedeutung, oder ist sie uicht vielmehr etwas völlig gleichgiltiges? Die Antwort ergiebt sich aus der Erwägnug, daß auf derselben die Bestimmung der Arbeitswoche und des siebenten Tages als Ruhetages ruht. Uud die Vertheilung vou Arbeit und Erholnng ist doch gewiß eine für das sittliche Leben des Menschen eminent wichtige, fundamentale Angelegenheit.
In derselben klaren und besonnenen Weise, die Jedem das Seine giebt, der Offenbarung, was der Offenbarung, der Naturwisseuschaft, was der Naturwissenschaft gehört, hat Reusch auch die übrigen hier einschlageudeu Fragen behandelt, nnter denen wir besonders die Erörterungen über Deszendenztheorie hervorheben, welche mit großer Schärfe die Grenzen zeichnen, deren Ueber- schreitung das ethische Interesse verbietet.
Je mehr die Grundsätze, die Rensch vertritt, sich verbreiten, wird das Verhältniß zwischen Naturwissenschaft nnd Theologie sich friedlich gestalten, auf Grund freier Anerkennung uud konsequenter Beschränkung auf das eigne Gebiet. Ju diesem Interesse wünschen wir der Schrift einen weiten und empfänglichen Leserkreis!
Königsberg i. Pr. _ H. Jaeoby.