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keit und Innigkeit deutschen Familienlebens feiern und fördern zu wollen, verdient keines fo hohe Beachtung und allgemeine Verbreitung, als Reichenau, Aus unsern vier Wänden (Leipzig, F. W. Gruuow). So heißt nämlich der Titel der ersten Gesammtausgabe der R eichena u's ch en Schriften in einem Band, welche soeben erschienen ist — gewiß Allen eine hochwillkommene Festgabe, welche die in d. Bl. wiederholt begründete Bedeutung der Reichenau'schen Schriften zu würdigen wissen. Das stattliche Format der neuen einbändigen Allsgabe und ihre stilvolle Ausstattung erhöht nur ihre Verwendbarkeit zum Feste. Weniger uneingeschränktes Lob ist der neuen Sammlung einiger Zeichnungen von Ludwig Richter zu zollen, die der Verlag von AlphonsDürr in Leipzig auch dieses Jahr bietet, unter dem Titel „Aus dem Volksleben", Ernst und Scherz, in Holzschnitten von Ludwig Ri chter, herausgegeben von Georg Scher er. Das Streben, die überall verstreuteil Zeichnungen Richters zu sammeln, hier ans einem alten Kalender, dort aus einem verschollenen Liederbuch einige seiner ewig jugendfrischen Blätter und Blättchen von neuem zu entdecken und dem lebenden Geschlecht wieder vorzuführen, verdient gewiß volle Anerkennung und Förderung durch das Publikum. Aber vor Allein sollten die Zeichnungen des Meisters auch so von neuem wiedergegeben werden, wie sie ursprünglich geschaffen wurden. Was als Jni- tialverziernng oder als schmale Randzeichnnng zn einer Text- oder Notenseite erfunden und zuerst iu die Welt gesandt wurde, kann unmöglich gewinnen, wenn es hier mitten auf einer ganzen großen weißen Seite neu aufgelegt wird. Man braucht z. B. nur die Holzschnitte zn betrachten, welche über dem „Siebenbürgischen Jägerlied", „die Kerze" und vor Allem über „Schweizer Heimweh" stehen, um die Berechtigung nnseres Einwandes zu erkennen. Eine in fast jeder Beziehung hocherfreuliche Novität ist dagegen die Ausgabe, welche derselbe Verlag veranstaltet hat, von der Dichtung Hartmaims von Aue „ der arme Heinrich" mit sieben Zeichnungen von Jaeob von Führ ich. Von den letzteren sind in den jüngsten Wochen fast in allen illustrirten Zeitschriften Proben erschienen; zudem ist Führich's edle und fromme Darstellungsweise ja so bekannt, daß ein näheres Eingehen auf diese Illustrationen kanm nöthig erscheint. Der Xylograph hat sie, einschließlich der bei Führich meist etwas zittrigen Schattenlinien getreu facsimilirt. Der Text ist insofern eigenartig, als selbstverständlich nicht das Originalgedicht, auch nicht eine wirkliche Uebersetzung in Versen, sondern „eine kürzere Prosaerzählung geboten wird, welche bei einiger Freiheit der Uebertragung doch im Tone einen dem Original ähnlichen Eindruck zu geben versucht." Hie und da will es scheinen, als ob mehr die Nachahmung der manirirten Sprache Gustav Freytag's in den „Ahnen", als die des naiven und durchaus natürlichen Originals dem Erzähler geluugen sei. Die Ausstattung des Werkes — gedruckt ist es auf dem so rasch wieder beliebt gewordenen holländischen Büttenpapier, in altdeutscher Schrift, mit farbigen Initialen ist fo fein und erlesen, wie die der meisten Werke des Dürr'schen Verlags-
Verantwortlicher Redakteur: vr. HanS Blum in Leipzig. Verlag vor, F. L. Herbig in Leipzig. Druck van Hiithe» 6- HM«««» in veivl'a.