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Vom preußischen Landtage.
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Klausel vor übereilten und verhängnißvollen Entschließungen habe bewahren wollen, und konnte somit auch die Zulässigkeit eines Antrages nicht zugeben, dessen Konsequenzen sich gar nicht übersehen ließen.

Der Sachverhalt ist so einfach und klar, daß man schwer begreift, wie felbst Leute, welche die politischen Dinge nicht mit der fröhlichen Harmlosigkeit des Doktrinärs, sondern mit gewissenhafter Abwägung der einander gegenüber­stehenden realen Faktoren betrachten, die Handlungsweise der nationalliberalen Fraktion unverständlich finden. Der wüste Lärm, welcher in den Organen der Fortschrittspartei geschlagen wird, bedarf freilich nicht erst der Erklärung. Seit lange ist es die Taktik der fortschrittlichen Wortführer gegenüber derbefreun­deten" Partei, dieselbe in eine schroffe Oppositionsstellung zu verlocken, oder aber, wenn sie die zn dem Zweck gestellte Falle vermeidet, sie vor dem Lande des Verraths an der Würde der Volksvertretung, an den Rechten des Volkes anzuklagen. Wer unbefangenen Blickes dies ganze Treiben über­schaut, wird erkennen, daß frivoler mit dem inneren Frieden nicht gespielt werden kann. Die nativnälliberale Fraktion hat sich um das Wohl des Laudes verdient gemacht, indem sie das Konfliktsmanöver der Herren Virchow und Genossen vereitelte. Die letzteren sind infolgedessen nur umsomehr entschlossen, ihre Experimente zu wiederholen. Hoffen wir, daß die Regierung den Nationalliberalen die fernere Abwendung derselben erleichtert, indem sie die Formen der parlamentarischen Etikette den heftigeren Angriffen gegenüber nur um so peinlicher beobachtet!

Die Etatsberathung, welcher wiederum die Hauptarbeit der Woche zufiel, N>ar unfruchtbarer, als je. Drei Tage Kulturkampf uud immer nur das alte ^ied bei stets neuer Erregtheit. Bemerkenswerth ist die offene Kriegser­klärung der sog. Konservativeu an die Kirchenpolitik der Regierung. Im Uebrigen darf man aus den Verhandlungen die tröstliche Gewißheit entnehmen, daß trotz aller Machinationen, an der entscheidenden Stelle der Staatsgewalt keine Veränderung in der Ueberzeugung von der Nothwendigkeit dieses welt­historischen Kampfes eingetreten ist.

Die erste Lesung der Vorlagen zur Ausführung der Reichsjustizgesetze gab verschiedenen Rednern, namentlich Lasker, Gelegenheit zu eingehender Kritik. Das Schicksal der Entwürfe wird indeß voraussichtlich ein günstigeres sein, als es der infolge längeren Leidens etwas reizbare Justizminister unter dem nschen Eindrucke dieser Ausstellungen annehmen zu wollen schien. /. ^.