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naht, will ihn das Volk aus dein Tempel zerren, um das Heiligthum nicht zn entweihen und rünmt deshalb die Steine weg. Alithea benützt die Oeff- nuug, um hineinzuschlnpfen, und dem Sohn reife Früchte zu bringen „die letzte Nahrung wie die erste." Ergreifende Schlußszene zwischen Mutter und Sohn, der dem Mutterauge „fast gereinigt erscheint." Das hereindringende Volk, das den Leib des Königs in die Grube der Hingerichteten schleifen'will, empört in der hohen Fran den ganzen alten Mutterstolz. Als der König verschmachtet stirbt, wirft sie sich über ihn mit den Worten!
O Gott, das alte Mutterherz erwacht.
Du stirbst? O, stirb uoch nicht, geliebtes Kind!
Der Leser wird sich nach dieser gedrängten Inhaltsangabe ein Bild mache» können von dem Gange der Handlung, der Charaktere und der Idee des Stückes. Nicht so von seinen schönsten Stellen, die wir fast immer nnr in ihrem Gesammtbild, nicht iu den Worten des Dichters angeführt haben, da wir wünschen, der Leser möge ans diesem Referat den Entschluß schöpfen, das Ganze selbst zu lesen. An Lebendigkeit läßt die Handlung gewiß nichts zu wüuscheu übrig. Und auch die Zeichnung der Charaktere ist fest und klar; einzelne Figuren, wie Gelvn, sein Weib, Chares, Agis, Alithea und vor Allem Pausanias, von ihrem ersten Worte an mit typischer Deutlichkeit sich ausprägend. Be- strittener könnte die Frage sein, warum der unselige Zufall, der den König, noch halb in Schlafesbanden, ein uuschuldiges Mädchen morden ließ, die Hauptursache wird zu seinem Untergange, der ja an sich so ganz andere Thaten und Pläne des Königs zur Voraussetzung hatte, als deu Tod des Mädchens von Byzanz?
Literatur.
Das Schweizerland, Eine Sommerfahrt durch Gebirg und Thal. In Schilderungen von Woldemar Kaden, mit Bildern von Banernfeind, Alexander uud Arthur Calame, Dill, Disen, Eckenbrecher, Franz, Grob, Hae- berlin, Hertel, Heyn, Jungheim, Kindler, Kröner, Diethelm Meyer, Franz uud Paul Meyerheim, Riefstahl, Ritz, Roux, Matthias Schmidt, Schrvdter, Specht, Vautier, Zügel. Holzschnitt von Adolf Cloß in Stuttgart. Stuttgart, Verlag von I. Eugelhorn. — In diesen Tagen ist die letzte Lieferung des vorstehend genannten Prachtwerkes, das wir im vergangeuen Jahre iu seineu Anfängen zur Weihnachtszeit bei unserm Leserkreise einführten, ausgegeben worden und daher nuu ein abschließendes Urtheil über das ganze Werk möglich. Dieses Urtheil kann nur günstig lauten. Alle Mitarbeiter haben ihr'Bestes gethan; nicht am wenigsten die Berlagshandlnng, die binnen Jahresfrist achtundzwanzig Lieferungen von gleicher Feinheit und Sauberkeit herstellte und mit größter Regelmäßigkeit erscheinen ließ. Der Autor, der unzweifelhaft die schwierigste und undankbarste Anfgabe hatte — denn der zu solchen illnstrirten Prachtausgaben gespendete Text wird kaum von zwei Prozent derer, die das Buch in die Hand nehmen, angesehen, geschweige denn ordentlich gewürdigt — hat Iwie Aufgabe richtig erkannt und gelöst. Die ihm gestellte Aufgabe war um so schwieriger, als er das Schwelzerland noch in mancher andern Beziehung zu schildern hatte, als der Griffel der Künstler es bildlich darstellen