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München vor hundert Jahren. II.
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auch vvu ihrer Sliftuug im Jahre 175!) au die Akademie der Wissenschaften bevor sie in das vormalige Jesniteukvllegiiim übersiedelte. Ebenda war die 1770 gegründete Zeichnungsschule untergebracht, ans der später die Kunst- Akademie herauswuchs.

Am kurfürstlichen Hofe gab es nur französisches Schauspiel und italienische Oper. So wollte es die allmächtige Mode. Das Volk bekam auch in München nur Staatsaktionen, Hanswurstiaden oder Passivnsspiele zn sehen; überall aber waren Extempvriren nnd Lazzi der Spaßmacher an der Tagesordnung. Für diese hatte kurz nach 1750 der Faberbrän in der Sendlingergasse ein eigenes Hintergebäude hergestellt, und von diesem Hanse ist der bessere Geschmack im Schauspielwesen für München ausgegangen. Dort führte ein junger Mann, Namens Nieser, nachmals Notar in München, der eben au der Jngolstüdter Universität seine Rechtsstndien vollendet hatte, mit einigen von hie nnd da zu­gewanderten Schauspielern am 10. November 1771 das erste reguläre Stück: Die Wirthschafterin" von Stefanie d. Ä. auf. Später folgteilMiuna von Barn­helm" nndMiß Sara Sampsvn", unter lebhafter Betheiligung des Publikums. Am 17. Mai 1772 spielte die Nieser'sche Gesellschaft zum ersten Male im kur­fürstlichen Theater an? Frauen-Freithvf und gewann rasch die Gunst der Kur­fürstin, die 1773 selber ein französisches Stück für Nieser übersetzte. Bald darauf pachtete Graf Seeau das alte Opernhaus, doch giug mit Max' III. Ableben der Pacht wieder zu Ende. Seean wurde Intendant, unter ihm stand Marchaud als Direktor der Hvfschanspieler-Gesellschaft, uud die Bühne schwang sich zu ungeahnter Höhe empor. Ohne Zweifel war Graf Seean besser als sein Ruf.

Aber uicht alle Münchener konnten die Eintrittspreise für das kurfürstliche Hoftheater erschwingen. Sie mußten sich mit dein begnügen, was im Sommer sechs Wochen lang Lvrenzoni's Lipperltheater bot. Diese Bretterbude stand auf dein untern Anger zwischen dem Seidenhause und dem heutigen Feuerhause. Der Eiutrittspreis war auf 1 Krzr. festgesetzt; dafür bekam man aber anch nur einen Akt zu sehen. Es wnrde nämlich nach jedem Aktschluß das ganze Lokal geräumt.

Die Münchener Hofmusik erfreute sich schvu vor huudert Jahreu des besteu Rufes: sie wurde au Direktion, Anzahl der Virtuosen lind Ensemble ihrer Ausführungen von keiner andern übertroffen. Außer im Theater bekam man sie in Hofakademien und Kammer-Konzerten zu hören, außerdem auch in 12 Kouzerteu im Redvntensaal. Sonst ruhte die öffeutliche Musik so ziemlich in der Hand der 42 ehrsamen Stadtmusikanten, die in 6 Kompagnien vertheilt und denen ebensoviele Lokale ein sür allemal angewiesen waren. Daneben fand die Kammermusik in vielen Familien eisrige Pflege.

Grenzboten lll. 1877. 47