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nischen Institutionen ändert. Triumphirend wies der Verfasser des Bnches auf eine Anzahl von Thatsachen hin. Denn was hier vorlag, war nicht allein die nachgewiesene Rechtsgiltigkeit von Gesetzen, die einer Revolution entsprungen waren, sondern die bestätigte Rechtsgiltigkeit einer Rückwirkung, die für hinlänglich begründet galt dnrch die Berufung auf das „ungeschriebene Gesetz", auf ein neues, völlig revolutionäres Rechtsbewußtsein, welches sich in einer einzigen tiefberechtigten Macht- oder Gewalthandlnng Ausdruck gegeben hatte. Der zweite Theil beschäftigt sich ausschließlich mit dem Erbrechte und speziell mit dem römischen. Wie der Zweck des Werkes überhaupt Durchbrechung des Unterschiedes zwischen der historischen und der dogmatischen Behandlung des Rechtes ist, so wird hier an einem großartigen Beispiele gezeigt, wie auch das Dogmatische eines Rechtsiustituts sich nur aus dem Verstäudniß seines historischen Begriffs, d. h. des bestimmten historischen Geistesstadiums ergibt, iu welchem das betreffende Institut sich in jedem Falle befindet. Lassalle behauptet hier nichts Geringeres als, daß nicht bloß dieses und jenes Einzelne im römischen Erbrechte, sondern das Ganze bisher mißverstanden worden sei. Er will entdeckt haben, daß der Erbe im römischen Sinne ursprünglich nur Erbe des Willens, nicht des Vermögens des Todten gewesen sei, nnd daß daher der Gegenstand uud das Interesse des römischen Erbrechts sowie seine historische Entstehimg gar nicht in der vermögensrechtlichen Sphäre liege, und dieses Erbrecht seinem Begriffe nach keine Vermögenszuwendung darstelle, sondern eine dieser Verstandesvorstellung geradezu entgegengesetzte Anschauung sei. Der Begriff des Erbthums ist, die Fortexistenz des erblasserischen Willens zu verwirklichn?. Das Testament ist die römische Unsterblichkeit. Das Interesse des Erblassers liegt nicht darin, daß der Erbe hat, sondern daß er handelt, nach seinem, des Sterbenden, Willen handelt. Daß dies richtig ist, beweist das Erbrecht der ältesten Zeit, nach welchem es Jedem in Rom freistand, die ganze Erbmasse durch Legate zu erschöpfen, und dem Erben nichts als den Namen und die Pflicht zn hinterlassen, diese Legate zu vertheilen.
Inzwischen hatte sich der Streit um die Armeerevrganisation zum Verfassungskonflikt zugespitzt und die altliberale Partei trat vor der nenentstcmdencn Fortschrittspartei in den Hintergrund. Lassalle gab zu Ende des Jahres 1861 in Gemeinschaft mit Lothar Bucher das bekannte Pamphlet: „Herr Julian Schmidt, der Literarhistoriker" heraus, ein Angriff, von dem er selbst sagt, er sei erfolgt „unter dem rauschenden Beifall der größten Gelehrten und Denker Deutschlands, die mir dafür mündlich und brieflich die Hand schüttelten." Nach anderen Richtungen aber wollten sich feine ehrgeizigen Wünsche nicht verwirklichen. Mit den Führern der Fortschrittspartei stand er in nahem Verkehr, cmch mit den Leitern des Nationalvereins hatte er Fühlung. Dennoch