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Ferdinand Lassalle. I.
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als Kind des Mittelstandes nnd eines noch vielfach geringgeschätzten Stammes geboren war, so drängte ihn seine Natur, auf den Wegen des Denkers, des ihm sonst sicher nicht sympathischen Demokraten und des Agitators in das Element zu gelangen, das ihm Lebensluft war.

So früh indeß Lassalle zum Manne wurde, blieb in ihm doch immer etwas vom Kinde, ja von Kinderei. Er besaß im Privatleben wenig Selbst­beherrschung, er liebte glänzende Dinge, er gefiel sich in schauspielerhaftem Auftreten. Er, der Demokrat, kleidete sich als Dandy, wohnte in reich dekorirten Zimmern und gab gewählte Soupers, die übel zn seiner Rolle als Arbeiter­apostel paßten.

Begeistert für die klassische Vorzeit, begann Lassalle zu Breslan und Berlin Philologie zu studiren, und zu gleicher Zeit eignete er sich die dialektische Methode Hegel's an. Als er die Universität verlassen, lebte er als unabhän­giger Privatmann am Rhein nnd später in Paris, wo er sich mit griechischer Philosophie und vorzüglich mit HeraW beschäftigte. Hier lernte er auch Heinrich Heine kennen, der ihn außerordentlich lieb gewann und große Stücke von seinem Talent und seinem Charakter hielt.

Am 11. Augnst 1848 trat Lassalle zum ersten Male in die Oeffentlichkeit, und zwar als Angeklagter. Er stand vor dem Assisenhofe zu Düsseldorf, be­schuldigt, zwei junge Leute, die im Scheidungsprozesse der Gräfin Sophie v. Hatzfeldt gleich ihm eifrig für diese Partei genommen hatten, verleitet zu haben, der Maitresse des Grafen eine Kassette zu entwenden, in welcher man wichtige Papiere vermuthete. Er hatte die Gräfin in Berlin kennen gelernt und sich sofort mit dem ihm eignen Ungestüm zu ihrem Vertheidiger aufge­worfen, sie nach Düsseldorf begleitet und von da aus ihre Sache vor mehreren Gerichten geführt. Die Afsisen fanden ihn trotz der glänzenden Rede, mit der er sich vertheidigte, schuldig, aber die höhere Instanz kassirte das Urtheil. Auch der Prozeß der Gräfin hatte einen günstigen Verlauf, nnd es kam zu einem Vergleiche, der ihr ein fürstliches Vermögen und Lassalle, der ohnedies wohl­habend war, ein völlig unabhängiges Leben sicherte. Bekannt ist, daß Lassalle mit der Gräfin bis zu seinem Tode in sehr intimen Verhältnisse» stand. Er leugnet in jener Vertheidigungsrede, ihre Partei als ihr Geliebter ergriffen zu haben, er will dies aus uneigennützigem Mitleid mit einer gnten und edlen Frau, welche im Begriffe gewesen, mitten in der Civilisation der Gewalt ge­genüber unterzugehen, und zugleich deßhalb gethan haben, weil erin dieser Angelegenheit allgemeine Standpunkte und Prinzipien verkörpert gesehen hätte." Das Eheunglück der Gräfin sei ihm alsein individuelles Loos und Leiden" erschienen,das gleich einem Mikrokosmus das allgemeine Leiden, die zu Grabe keuchende Misere und Unterdrückung abspiegele." Welcher Art aber auch seine