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Der Held tröstet die Trauernde und sagt ihr Lebewohl. Er will auch den Sohn zum Abschiede an sein Herz drücken; aber der Knabe fürchtet sich vor den Erzwaffen und dem wehenden Helmbusch, und lächelnd setzt der Vater den Helm ab und küßt das Kind und betet zu den Göttern, daß sie auch jenen tüchtig werden lassen, damit man dereinst sage: „Er ist weit besser als sein Vater", und die Mutter sich frene. Unter Thränen lächelnd nimmt die Gattin Abschied und kehrt in ihre Gemächer zurück.
Nur zu bald erfüllt sich, was sie geahnt hat. Hektor, der herrliche Held, die Schutzwehr der Vaterstadt, liegt erschlagen von dem Thetissohne, und die Gattin mnß von der Mauerzinue aus sehen, wie sein edler Leib im Staube geschleift wird. Da umhüllt Nacht ihre Augen, und die Kniee brechen ihr, und dann wirft sie in Verzweiflung den fürstlichen Kopfschmuck fort und den Schleier, die Halsketten und Armspangen und bricht in herzzerreißende Klagen aus, mehr den Sohn als sich selber bejammernd:
„Hektor, ich Arme, wir sind zum Unglück beide geboren,
Du im Königspalast in Troja, ich selber in Theben
In des Ection Haus; o hätt' er mich nimmer erzeugt doch!
Nun weilst du in des Hades Haus in den Tiefen der Erde,
Und mich hast du dahicr in schrecklichem Jammer gelassen
In dem Palast als Wittwe; dazu das unmündige Söhnlein,
Das wir zum Unglück gezeugt. Nicht kannst an diesem, o Hektor,
Du dich ferner erfreu'n, noch er an dir, da du todt bist.
Wenn er lebend entgeht dein thräncnströmenden Kriege,
Werden doch Mangel und Noth und Leiden immer ihm folgen;
Fremde werden ihm rauben die Ackerfluren des Erbes;
Der zur Waise machende Tag macht den Knaben zum Bettler."
Die nun folgenden Verse gehören zu dem Ergreifendsten, was das Mutterherz im Gedanken an die jammervolle Zukunft des Sohnes aussprechen kann:
„Darbend nähert sich nun der Knabe den Freunden des Vaters, Diesen berührend am Rock und jenen am faltigen Mantel; Mancher, der Mitleid hat, reicht wohl ihm die Neige des Bechers, Welche die Lippen benetzt, doch nicht den dürstenden Gaumen. Mancher auch, fröhlich schmanßcnd, scheucht fort den Knaben vom Mahle, Schlägt ihn dazu mit der Hand und sagt ihm schmähende Worte: „„Fort mit dir, nicht speist ja mit uns dein Vater nin Tische!"" Thränen im Auge eilt dann das Kind znr verlassenen Mutter, Mein Astyanax, welchen dereinst auf dem Schovße des Baters Nährte das Mark vom Rind und die fettesten Stücke der Schafe; Wenn der Schlaf ihn umfing, ermüdet vom kindlichen Spiele, Schlummert' im Bettchen er ein, gelehnt an die Schulter der Amme, Weich in den Kissen, das Eltcrnhcrz mit Wonne erfüllend. Fürder wird Leiden er dulden, beraubt des liebenden Vaters.
Nachdem endlich der Leichnam des Helden den Seinen zurückgegeben ist