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Schritte vom Boulevard Montmartre. Kein Fechtmeister könnte die in diesem Quartier übliche Miethe für ein Erdgeschoß zahlen. Das Gerücht sagt, daß es den Herrn Robert schwerfalle, die ihrige am Versalltage zusammenzubringen, obwohl Legouve' ihnen Schüler aus den Colleges von halb Paris zugeführt hat. Dagegen verwandelt derselbe, wenn er einen Ball giebt, die Fechtsäle in ein Theater, wo er seine Gäste mit einer Vorstellung entzückt, und diese Abende müssen die Miethe vermindern.
Die andern pariser Fechtschulen sind durchweg düstere, schmierige Höhlen. Die Decken sind sicher seit einem halben Jahrhundert nicht geweißt, die Fenster eben so lange nicht gewaschen und geputzt, die Tapeten verblichen, voll Staub und Fliegenspuren, von Feuchtigkeit, Ofenrauch und Tabaksqualm angegriffen. Die Spiegel haben schon lange allen Glanz verloren. Die Vorhänge sind vergilbt und fadenscheinig. Der nie gescheuerte Fußboden ist voll Flecken, die von gesprengtem Wasser herrühren, und allenthalben voll Fußtapfen, welche die mit Kreide bestrichnen Sohlen der Fechterpaare in allen Richtungen zurückgelassen haben. Aber so finster, räucherig und dumpfig diese Säle auch gewöhnlich sind, ich gestehe, daß ich sie gern und oft besuche. An Winterabenden, wenn sie erleuchtet und mit zehn oder fünfzehn fechtenden Paaren gefüllt sind, sind sie in der That brillant. Sie ersetzen in ziemlichem Maße die deutschen Turnplätze. Ich habe großen Genuß von ihnen, wenn ich, nachdem der ganze liebe Tag damit verbracht worden ist, Papier, Dinte und Feder in Brot und Fleisch, Miethe und Kleidung zu verwandeln, und die Gehirnnerven davon müde und matt geworden sind, jetzt die Muskeln und Sehnen auffordere, ihre Schuldigkeit zu thun. Wie wohlthuend ist dann die Ermüdung des ganzen Körpers, wenn die anstrengende Stunde vorüber ist, wie wirkt es gleich dem besten römischen Bade, wenn der Schweiß aus allen Poren dringt und das Flanellhemd und die watttrte Fechtjacke durchfeuchtet, und welch ein gesunder, fester, traumloser Schlaf nach der langen Lectton beim Fechtlehrer und dem längeren Fechten mit seinen Scholaren! Dann aber liegt für Jemand, der sich sein Brot verdienen muß, bevor ers essen kann, im Fechten eine große Zeitersparnis), eine Stunde giebt hier so viel nothwendige Bewegung, als eine ganze Tagereise zu Fuß oder eine Ruderfahrt, die einen vollen Nachmittag dauert. Vom Turnen rede ich hier nicht, da es in Paris wohl nicht zu haben ist, und vom Reiten, der besten und gesündesten Körperbewegung, sehe ich ab, weil ich nicht mit dem goldnen Löffel im Munde geboren bin, und das Reisen nur für solche ist, welche mit diesem Zeichen auf die Welt gekommen sind.
Etwas besonders Anziehendes liegt für mich in den Fechtapparaten, die in langen Reihen an den Wänden hängen. Sie bestehen aus Drahtmasken, die mit Bügeln versehen und an diesen so wie rings um den Rand mit Grenzbotm III. 1876. 33