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Das Leben Macaulay's.
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Es ist ein beglaubigtes Factum, daß er als Knabe einst Walter Scott's be­rühmtes1^ ok tlttZ last Ninstrel" irgendwo liegen sah und während der lebhaftesten Unterhaltung um ihn herum es in kurzer Zeit durchlas. Nach Hause gekommen, setzte er sich zu seiner kranken Mutter auf das Bett und declamirte ihr ganze Gesänge aus dem Epos vor. So rühmte er sich auch im vollen Bewußtsein seiner Begabung, daß, wenn durch irgend einen Akt des Wandalismus alle Exemplare von Milton's?aiaÄisö lost" oder Bunian's l?i1grim's?rogrös8" vernichtet würden, er im Stande wäre, sie aus dem Ge­dächtniß wieder herzustellen. Im Lesen war er ein Virtuose, er las nach der Ver­sicherung von Augenzeugen ein Buch schneller, als ein Anderer es durchblätterte, und zwar ohne Schaden für die Genauigkeit. Ja selbst in dem lärmenden, rücksichtslosen London ging er bis in sein spätestes Alter niemals ohne eine Lectüre aus, meist einen griechischen oder römischen Klassiker. Wer Londons Straßenleben kennt, wird den Heroismus von Macaulay's Lesegier zu be­wundern wissen. Wie sehr ihm die Fülle seiner Leetüre zu Statten kam, wird Jedem einleuchten, der einmal darauf hin seine Essays oder die Historz? ok Ln^ mit Aufmerksamkeit liest, wo er anscheinend mühelos über das weitverzweigteste Material verfügt und seine schlagenden Belegstellen aus allen Gebieten des menschlichen Wissens, aus allen Literaturen und Sprachen hernimmt.

Mit achtzehn Jahren bezog Macaulay die Universität in Cambridge, der er seine bleibende Abneigung gegen die Mathematik, sein großartiges Rednertalent und seinen durchs Leben dauernden Liberalismus verdankte. Cambridge unterscheidet sich bekanntlich von Oxford durch eine größere Be­vorzugung der exakten Wissenschaften. Die Art und Weise, in der in Cam­bridge die Mathematik traktirt wurde, erbitterte den jungen Macaulay der­maßen, daß er in einem Briefe an seine Mutter darüber schrieb:Ich finde keine Worte, um meinen Abscheu vor dieserWissenschaft" auszudrücken, wenn man überhaupt einen so geheiligten Namen auf dergleichen anwenden kann. Hätte ich doch lieber Astrologie oder Gespensterkunde oder meinetwegen selbst Scholastik zu meinem Studium erkoren! Man nenne sie immerhin eine geistige Disciplin, für mich ist sie die langsame Aushungerung, Ein­schnürung, Tortur und geistige Knebelung. Und das noch drei Jahre aus­halten zu müssen, ich kann den bloßen Gedanken daran nicht ertragen. Dann für immer lebet wohl, Homer und Cicero!" Ein treffliches Gegen­gewicht gegen die Quäleret mit der Mathematik (in der er es schließlich doch zu einem leidlichen Examen brachte) bildete seine rege Betheiligung an den oratorischen Wettkämpfen des Dsdating VWd in Cambridge. Hier legte er den Grundstein zu seiner künftigen bewundernswerthen rhetorischen Ausbildung, mit der er gleich bei seinem ersten Auftreten im englischen